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Full text of "Ein Mann der That : Original-Drama in vier Akten"

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ven Bühnen gegenüber als Manuffript gedruckt und nur zu beziehen durch 
Franz Kratz in Wien, Eliſabethſtraße Nr. 1. 


Ein Mann der That. 


— 0 200 — 


Original-Drama in vier Akten 


„von 


Otto d Vrachtler 


(In Vorbereitung am k. k. Hofburgtheater.) 


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Wien 1865. 
Druck von Waldheim & Förſter. 


Perſonen. 


Roger, Sohn des verſtorbenen Königs von Sizilien, Wilhelms J. 
Robert, Graf von Loritello, Uſurpator von Sizilien. 
Graf Majo, Großadmiral und Kanzler. 

Dolores. 

Matteo, Graf von Syracus. 

Romana, ſeine Schweſter. 

Bosmond von Tarſo, 

Richard von Mandra, ſizilianiſche Edle. 
Graf Simon von Policaſtro, 

Gaufred, Graf von Alife. 


Ruggiero, 

Gayto, Verſchworene im Solde des corſiſchen Grafen 
Sangré, 5 von Alife. 

Hugo, Eremit vom Aetna, 

Sandoval. 


Ein Kapitän des königlichen Schloſſes. 
Der Kaſtellan vom Bergſchloſſe des Grafen von Syracus. 
Verſchiedene Nebenperſonen. 


Die Handlung ſpielt in Palermo, theilweiſe auf einem kleinen Bergſchloſſe des 
Grafen von Syracus und dauert einige Tage. 


Die Zeit der Handlung fällt ungefähr in das Jahr 1166. 


Erſter Act. 


Terraſſe vor dem kleinen Bergſchloſſe des Grafen von Syracus. Sie iſt mit einem 

einernen Geländer umgeben, durch welche rechts ein eiſernes Gitterthor führt, über 

ie Teraſſe hinaus iſt die Ausſicht in die Ebene und den gegenüberliegenden Wall- 
fahrtsberg frei. Ueber Stufen führt eine Pforte in's Schloß.) 


Erſte Seene. 


Die Grafen Simon von Policaſtro, Boßmond von Tarſo 
nd Richard von Mandra (find an der Pforte ſichtbar, die der Kaſtellan 
eben öffnet). 


Kaſtellan. 
Ihr gabt das Wort, das dieſe Pforte öffnet, 
Und ſo erkenn' ich und begrüß' ich hier 
Die edlen Freunde meines Herrn. 
Graf Simon. 
Der Graf 
Von Syracus traf wohl ſchon vor uns ein. 
Kaſtel lan. 
So iſt's; er ging ſogleich zu ſeinem Gaſt, 
Zu deſſen Ehren heut' die Jagd ſein ſoll; 
Ihr edle Herr'n, verſteht wohl, wen ich meine. 
Bosmond. 
Und wir verſtehn, was Du verſchweigſt. So recht, 
Mein Kaſtellan, Verſchließer und verſchloſſen, 
Du trauſt uns noch nicht ganz; doch ſei beruhigt, 
Wir wiſſen, daß Du hier die Krone hüteſt. 
i Graf Richard (mit großer Wärme). 
Ja ihn, den ich zu ſchauen heiß erſehne, 
Den jeder treue Sohn Siziliens 
Mit Lieb' und Ehrfurcht nennt: Roger, 
Den König ohne Land, doch unſ'rer Herzen, 
Dem wir zu huldigen gekommen find. 
Graf Simon. 
Wir bringen ihm den Gruß von Tauſenden, 
Die ſchon die Nachricht, daß ihr König lebt, 
Mit Troſt und Hoffnung und mit Muth erfüllt. 
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Bosmond. 
Mit Muth! Ihr ſpracht das rechte Wort, Graf Simon, 
Denn was ſich früher trotzig regte, war 
Nur kurze, kranke Wallung der Verzweiflung. 
Erſt ſeit auf räthſelhafte Weiſe ſich 
Der Geiſt des Mann's, den man Bonello nennt, 
Allüberall im Lande kund gethan, — 
Als er's geheim dem Volke zugeflüſtert 
Der Graf von Syracus erzog und ſchütze 
Den jungen König im entleg'nen Schloß, — 
Da athmeten die Herzen wieder auf, 
Die jede Hoffnung ſchon begraben hatten. 
Richard Gum Kaſtellan). 
Der Prinz verkehrt wohl viel mit ſeinem Volk. 
Kaſtellan (ausweichend). 
Nicht, daß ich wüßte! Oftmal unbekannt, 
Ging er in's Land, doch — ſeine Einſamkeit 
War, ſeit er hier iſt, wenig unterbrochen. 
Er baut das Feld, er jagt allein im Forſt 
Und lebt, ein anderer Cincinatus hier 
Nur der Betrachtung — ſcheint's — und der Natur. 
Boömond. 
Das ſcheint ſo — Mann, nun Schweigen iſt ja Gold, 
Man wirkt geheimnißvoll — ſo wie Bonello. 
Richard. 
Wer iſt Bonello? Lebt er? iſt's ein Name — 
Iſt's ein Phantom, das Wunder thut? Wo iſt er? 
Voémond. 
In jedem Herzen, das noch hofft; ſein Name 
Auf jeder Zunge, die nach Freiheit ruft, 
Er lebt — und wirkt für uns! — So fühlt's das Volk. 


Graf Simon (erıft einfallend). 
Es mag das Volk an ſeinen Heiland glauben, 
Wenn's Urſach hat und ſeine Wunder fühlt; 
Ich halte vorerſt an dem Wirklichen, 
Die erſte That iſt Mutter aller andern; 
Gethan hat ſie der Graf von Syracus, 
Und deſſen Name bürgt mir für die Wahrheit. 
Er hat den Sohn des Königs uns gerettet, 
Und ohne dieſen Prinzen ſind wir nicht's. 
Wenn noch einmal der wilde Bürgerkrieg 
Die weiße Locke mir mit Blut befleckt — 
Geſchieht es für das uralt-heil'ge Recht; 
Und wenn wir uns Rebellen ſchelten laſſen, 
Geſchieht's, zu zücht'gen Jene, die es ſind. 


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Richard (Heftig). 
Das find fie, ja — Rebellen und Verräther, 
Verräther an der Krone und dem Volk, 
Verräther an des Adels alten Rechten, 
Verräther an der Sitt' und Religion. 
Da ſitzt der finſt're Robert, welcher ſich 
Vom feilen Pöbel König ſchelten läßt, 
Der Weiberfürſt auf dem geſtohl'nen Thron 
Und unterſchreibt hohnlachend Blutſentenzen, 
Die ihm der ſpan'ſche Schurke Majo bringt. 
O, dieſer Majo iſt Siziliens Peſt, 
Ein Kopf ſo teufliſch ſchlau, als ſchlecht ſein Herz 
Und ranzig iſt ſein Blut, ſo wie das Oel, 
Mit dem er einſt zu Bari Handel trieb. 
O heil'ger Tag, der dieſe Sünder ſtürzt, 
Wie will ich Dich mit meinem Volke feiern, 
Dir opfernd, was ich hab' und was ich bin! 
Boé mond. 
So ſiegsgewiß wie Ihr, ſind wir noch nicht, 
Mein junger Freund, wir ſteh'n am Anfang erſt. 


Richard. 

Wir aber bleiben nicht im Anfang ſte h'n! 
Boemond. 

Das Ziel ift fern — 
Richard. 


Durch feſten Willen nah! 
Graf Simon. 
Wenn man des Willens ſchon verſichert wäre! 
Noch ſprachen ihn erſt wenig Edle aus. ˖ 


Richard. 

Wenn's Edle ſind, ſind dieſe Wen'gen viel. 
Bosmond. 

Doch auch den Wenigen fehlt noch das Haupt. 
Richard. 


Wir ſuchen's ja — wir finden's, denk' ich, hier; 
Des Kampfes Seele — und ſein Ziel — ſein Recht — 
Kann nur Roger, der Sohn des Königs ſein. 
Er wird es ſein, er muß es! — 
Graf Simon. 
Muß? — Mein Sohn, 

Ihr wollt das Volk frei — und den König nicht? 
Wir kommen ihn zu fragen, — ob er will. 

Kaſtellan ber ſchon früher an die Pforte ging). 
Ihr edlen Herr'n — der Graf von Syracus! 
(Er geht, nachdem dieſer ans der Pforte herabgetreten, iu das Schloß.) 


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Zweite Scene. 
Die Vorigen. Graf Matteo von Syracus (im Jagdkleide). 


Graf Matteo (den Grafen die Hand bietend). 
Willkommen! meine und Sizilien's Freunde! 
Ihr folget mit Vertrauen meinem Ruf 
Und durch Vertrauen nur kann ich Euch danken. — 
Der Glaube, daß auf unſ'rem ſchönen Eiland, 
Inmitten der geknechteten Geſinnung, 
Inmitten ekler Käuflichkeit und Fäulniß, 
Noch der geſunde Theil der größ're iſt — 
Der Glaube ward, ſeit ich das Volk geprüft, 
Zur Ueber zeugung, die mich ſtark gemacht; 
Und dies Gefühl — Ihr Freunde dieſes Volks, 
Gibt mein Geheimniß heut' in Eure Hand. 
Graf Simon. 
Du birgſt den jungen König hier im Schloß, 
Den Du als Knaben einſt gerettet haſt, 
Den Du erzogſt, — uns flog die Kunde zu 
Durch jenen Mann des Volks, den Du wohl fennft. 
Graf Matteo klar und ruhig, feſt). 
Ich kenn' ihn, — ja! — er iſt mein rechter Arm, 
Er iſt das Aug', durch das ich ſeh', — der Mund, 
Durch den ich mit dem Volke ſprechen kann. 
Ihn liebt das Volk, und ihm vertraut es auch, 
Weil er vom Volke iſt, für das er wirkt, 
Für das er Ruhe, Blut und Leben opfert. 
Des Mann's bedurft' ich — und bedürfen wir; 
Nur mit Bonello ſteht das Volk zu uns! 
Graf Simon (lebhaft). 
Wenn mir der Graf von Syracus erklärt, 
So ſei Bonello — glaub' ich ſeinen Wundern. — 
Wer jahrelang ein Kleinod uns gehütet, 
Und ſchwieg als Mann, bis erſt die Zeit gereift, — 
Wer mit dem Volk verkehrt', mit ſeinem Liebling, 
Und dieſes Mann's Vertrauen ſich erwarb — 
Der iſt ein Mann der Weisheit — und der That. 
Graf Matteo (ernſt und bewegt). 
Ein Mann der That? Noch iſt fie zu vollbringen!“ 
Laut an die Pforten pocht ſchon die Gefahr. 
Bosmond. 
Ihr ſprecht uns von Gefahr? Was droht uns noch? 
Wahrhaftig — nur Bonello könnt' es wiſſen. 
Rich ard. 
Iſt eine neue Unthat denn geſcheh'n? 


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Graf Matteo (nahdrndsvoll und bitter). 
Kann Majo's Blutſchuld noch vergrößert werden? 
Braucht's einen Tropfen noch, der erſt das Maß 
Von Robert's Freveln überfließen macht? 
Das Maß iſt voll und ihre Zeit iſt um!! 
(Er tritt unter ſie.) 
Wißt denn, ſchon zeitigte die faule Luft, 
Die Tyrannei auch and're Elemente, 
Die nicht den Uſurpator nur bedroh'n, 
Die auch den angeſtammten Thron zerfreſſen. 
Das darf nicht ſein — ich ſag', es ſoll nicht ſein, 
Der Sturm, der würde mit den Volksbedrückern 
Zugleich das Volk von dieſer Inſel fegen, 
Das gute Volk, das dieſes Namens werth. 
Boémond. 
Ihr ſcheint zu ſagen, daß Sizilien 
Von ſolchen Banden wirklich ſchon bedroht iſt. 
Graf Matteo. 
Nicht eine Aus geburt der Fantaſie, 
Nicht etwas Allgemeines hab' ich Euch 
Erzählt; die böſe Brut fiel aus den Eiern 
Und wächſt und regt ſich — ſetzt ſchon Krallen an. 
Wißt dieſe Bande wittert, wie der Spürhund 
Im Wind den Hirſch — ſo den beliebten Namen, 
Auf den das Volk die letzte Hoffnung ſetzt. 
Sie denkt, Bonello wär' der Mann, den ſie 
Für ihren faulen Aufſtand brauchen könnte; 
Man hat ſogar ihn dringend aufgefordert, 
Als Mann des Voll's noch heut' dabei zu fein, 
Wenn ſie — ja — was? — vielleicht den Keſſel heizen, 
Worinnen ſie Siziliens Zukunft brau'n. 
Man ſpielte auf geheimnißvollem Wege 
Bonello'n einen Zettel in die Hand, 
Der ihm als Loſung und Geleitsbrief dient; 
Der treue Mann hat mir ihn ausgeliefert, 
Weil mich's gelüſtet, diesmal ſelbſt den Blick 
In's kranke, faule Element zu thun. 5 
Boömond (aid). 
Ihr werdet doch nicht kommen! — — — 
Graf Matteo. 
Ja — ich werde! 
Graf Simon. 
Ihr ſtürzt Euch in Gefahr — — 
Graf Matteo (einfallend). 
Die größere 
Zu kennen — zu ermeſſen und — zu brechen. 


Boemond. 
Ihr lauft, fo wie ein edles Wild in's Garn. 
Graf Matteo (ſcher und ſtark). 
Oder ſie mir! Dann kenn' ich erſt den Nerv, 
Der dieſen wachſenden Polyp durchzittert, 
Dann weiß ich auch, wo er vertilgbar iſt. 
Graf Simon. 
Doch wenn der Herzog von Apulien, 
Wenn Prinz Roger die Fahne ſelbſt entrollt, 
Die uns zum Sturze des Tyrannen ruft, 
Wer ſoll uns führen? — 
Graf Mateo (nachdrucksvoll). 
Wer ſonſt, als er ſelbſt? 
Boémond. 
Und Ihr, dem ganz Sizilien vertraut, 
Ihr wollt nicht mehr fein, als .. .. 
Graf Matteo. 
Der Arm des Königs — 
Und ſeine Waffe „ſo wie Ihr und Alle, 
Die in der Treue zu dem Herrſcherhans, 
(mit warmer Betonung) 
Im angeſtammten, heil'gen Königthum 
Das einz'ge Heil der theuren Inſel ſeh'n. 
Boäͤmond (mit Nachdruck). 
Nicht immer treibt der Stamm geſunden Zweig, 
Des Prinzen Vater war ein böſer Herr, 
Nicht immer liegt das Heil im Herrſcherhaus. 
Graf Matteo. 
Doch immer in der Treue! — merkt das wohl! 
Wenn Ein Jahr unſ're Ernte nicht gerieth, 
Wollt Ihr den Herrgott wechſeln und verwerfen? 
Wir ſind des Stammes Hort, — der Stamm iſt's uns! 
War König Wilhelm uns der kranke Zweig: 
Der neue Trieb zeigt friſches, helles Grün; 
Der Prinz hat ſeiner edlen Mutter Herz 
Und liebt Sizilien, wie ſeine Mutter. 


Dritte Scene. 


Die Vorigen. 


(Während der letzten Rede iſt Herzog Roger im einfachen Jagdkleide von den 

Stufen der Terraſſe herab und zu den Anweſenden getreten. Er iſt jung, hat ein 

Chriſtusgeſicht mit blondem Vollbart und iſt in feiner Rede, wenngleich warm, doch 
ſtets mild und leidenſchaftelos.) 


* 


Roger. 
Ihr habt's g'ſagt — und ſagt damit zugleich, 
Was gut iſt — und was mangelhaft an mir. 
(Alle ihn ger ahrend, verbeugen ſich und entblößen die Häupter.) 
Roger. 
Ich grüß' Euch, edle Herr'n von ganzem Herzen, 
So fern Ihr zu mir kommt — vielleicht zu dem 
(gegen Graf Matteo) 
Der mir ein edler Wirth iſt und Beſchützer. 
Graf Matteo. 
Sizilien ſucht Euch auf in dieſen Männern, 
Vergeſſen möget Ihr, daß Ihr mein Gaſt 
Und Euch erinnern, daß Ihr unſer Herr 
Und unſer angeſtammter König ſeid. 
(Sie beugen Alle mit Graf Matteo ein Knie.) 
Roger (raſch Graf Matteo erhebend). 
Ich bitt' Euch, edle Männer, ſtehet auf. 
(Es geſchieht). 
Wehmüthig ſtimmt mich Euer Wort, Matteo, 
Und faſt beſchämen will mich Euer Thun. 
Ihr ſagt mir, daß ich mich erinnern ſoll, 
Ich ſei der König von Sizilien, 
Ich bin nur ein Leidtragender, wie Ihr, 
Der um ſein Vaterland — das ſchwergeprüfte 
Geheim die ungeſeh'ne Thräne weint. 
Ein König — ich? — des böſen Königs Sohn! 
(Wie traurig, daß ich's ſage, weil ich's fühle). 
Schon todt — verſchollen faſt — ein armer Gaſt, 
Wohl eines edlen Wirthes — doch ein Gaſt, 
Der keine eig'ne Stätte hat, kein Plätzchen, 
Von dem er ſagen könnt': „Hier iſt mein Herd.“ 
ich ard. 
In jedem braven Herzen iſt Dein Haus, 
In jeder Hand — ein Schwert für Deinen Thron, 
Und ſo wie meines ſchlagen Tauſende! 
Denn Jugend ahnt das Gute, liebt es, ſchützt es, — 
Die Winde wiſſen's — in den Lüften hört man's, 
In unſ'ren Seelen leuchtet's: „Du biſt gut!“ 
Roger. 
Ja — wir verſteh'n uns, — weil wir beide jung — 
Ich wehr's nicht ab: ich bin, was Du geſagt. 
Doch frage dieſen Greis und dieſe Männer 
Ob Güte ausreicht für den Königsthron, 
Von dem herab nicht nur der Segen thauen, 
Von dem die Blitze der Gerechtigkeit 
Der Fluch nothwend'gen Krieges fallen müſſen. 


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Dem Mächtigen gehört die Welt; dem Guten 
Vielleicht die Herzen! 
Graf Matteo. 
Nennt er dieſe ſein, 
Iſt er der König — und regiert ſie leicht. 
Roger. 
Nur der Verſtand regiert — ich ſag' noch mehr: 
Nur der Verſtand auch iſt es, der gehorcht, 
Da iſt die Klugheit Eins mit dunklem Triebe. 
Graf Matteo. 
Ich ſehe Euer heller Geiſt lenkt ſelbſt 
Den Faden unſ'rer drängenden Gedanken. 
Ihr war't ein Knabe noch — als Euer Vater — 
Gott löſche ſeine Schuld! — ſo ſelbſtzerfallen 
Als ungeliebt von ſeinem Volke ſtarb. 
Der ſpaniſche Verräther, Kanzler Majo, 
Der König Wilhelm's böſer Engel war, 
Benützte die Verwirrung in Sizilien 
Und ſetzte gegen das Geſetz und Recht 
Dem Grafen Robert Eure Krone auf. 
Es hieß, Ihr . . . wäret fern dem Land, geſtorben 
Und man bewies es auch dem armen Volk. 
Doch Gottes Hand war ſichtbar über Euch, 
Sie zog den Gifttrank weg von Euren Lippen, 
Den Majo einſt für Euch bereitet hat. 
Nun iſt der Tag gekommen des Gerichts, 
Die Stunde der Erlöſung für die Inſel; 
Es hängt von Euch — von Eurer Antwort ab, 
Die Ihr uns gebt in dieſem Augenblick. 
Roger. 
Was iſt's, das Ihr begehrt und hofft von mir? 
Graf Matteo (mit ernſter Feierlichkeit). 
Daß Du die Seele unſ'res Bundes ſei'ſt, 
Der dieſe Kronenſchänder ſtürzen will, 
Daß Du die Fahne trageſt uns voran 
Zum Sturme auf den Dir geraubten Thron, 
Zur Rache für die todtgetret'ne Menſchheit, 
Für all' das Elend in Sizilien, 
Das laut und heimlich gegen Himmel ſchreit. 
Boemond. 
Wir ſteh'n für Dich — Du ſteh'ſt für unſer Recht, 
Das ſich in Dir verkörpert und auch heiligt, 
Wir ſchützen uns — da wir den König ſchützen. 
Graf Matteo. 
Nicht der Entſchluß iſt heute erſt zu faſſen, 
Ihr habt Siziliens Wohl ja längſt bedacht. 


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Schon reift die böſe Saat der Tyrannei, 
Die Drachenzähne wachſen aus der Inſel; 
An ihrem Gifte fällt ſo Thron als Volk. 
Roger. 
Und wenn ich nun die Dinge anders ſehe, 
Als Ihr ſie ſeht, die Ihr von edler Glut — 
Doch auch von ſtarken Leidenſchaften leuchtet? 
Wer Unrecht ſtürzt, wird ſelbſt oft ungerecht; 
Die Rache, auch wenn ſie berechtigt iſt, 
Kennt keine Klugheit, oft kein Maß — kein Ziel. 
Ihr ſteht und waltet mitten im Getriebe 
Der ſchlechten und der großen Leidenſchaften; 
Ich ſtehe außerhalb — vielleicht auch über 
Den Elementen, die ſich haſſen müſſen. 
Graf Matt eo (lebhaft). 
Das eben iſt es, was der König ſoll! 
Roger (ſanft, nach einer Pauſe). 
Ihr nennt mich König —! bin ich's? werd' ich's ſein? 
Durch Euern Sinn — vielleicht durch Volkes Gnaden, 
Vielleicht durch dieſes Willen — nicht! 
Glaubt, eine Zeit kommt, iſt ſie auch noch fern, 
Wo alle Kronen feil ſind in Europa, 
Wo nur der Geiſt regiert und jedes Volk, 
Das mündig iſt — vielleicht ſich mündig glaubt, 
Von einem ſtarken Geiſt regiert ſein will. 
Graf Matteo. 
Ihr glaubt an eine Republik der Welt? 
Roger. 
Ich glaube, daß ſie einſt wohl kommen wird, 
Doch auch: daß ſie das Bleibende nicht iſt. 
Das Königthum iſt alt wie dieſe Welt, 
Gott ſegnet ſie durch große, edle Fürſten, 
Die Frühlinge vergeh'n — der Frühling nicht! 
Wie neue Blüthen wachſen neue Kronen — 
Zur rechten Zeit — wohl auch ein neuer Stamm! 
Graf Simon. 
Wer ſo die Welt begreift — mit klaren Augen 
So ſcharf zurück, prophetiſch vorwärts ſchaut: 
Der iſt der Geiſt, den wir den König nennen, 
Der zu regieren auch verpflichtet iſt. 
Graf Matteo. 
Du fühlſt es auch — und ſcheint es Dir ein Opfer, 
Den Philoſophen für den Herrn zu tauſchen, 
Du liebſt die Menſchheit — und Du bringſt es auch! 
Richard (mit den Andern ein Knie beugend). 
Dein Geiſt iſt Segen — ſegne, Herr Dein Volk. 


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Roger. 
Ich kann nicht ſegnen es mit blutiger Hand — 
Zum Mann des Krieges bin ich nicht geſchaffen — 
Nicht Wunden ſchlagen — heilen möcht' ich ſie! 
Graf Matt eo (eruft und feierlich). 
Unblutig für Dein Volk — das ſchwör' ich Dir — 
Soll die Bewegung — ſoll der Umſchwung ſein, 
Nur Deinen Namen gib — ſag', Herr, Du willſt — 
Und wir — Du ſelbſt — Sizilien iſt frei! 
Roger. 
Und denken — fühlen Alle, ſo wie Ihr? 
(Sie ſtehen auf.) 
Graf Matteo. 
Es ſprechen Tauſende durch mich — tritt her! 
(Er führt ihn auf die Stufen der Terraſſe, von wo ab die Ausſicht in's Thal.) 
Da ſchau hinab in's Thal und dort den Berg, 
Auf dem das Kirchlein der Madonna leuchtet, 
Sieh'ſt Du die fahnenreiche Pilgerſchaar, 
Die dort den langen, breiten Weg bedeckt? 
Sie wiſſen Dich — den König in der Nähe, 
Der ſie befreien ſoll, auf den ſie hoffen. 
Gebete, Chöre — zur Madonna ſcheint's — 
Entſteigen ihren Lippen — ihren Seelen — 
Doch „Freiheit — Freiheit!“ ruft ein jedes Herz. — 
Welch' edles Volk —! vergeſſend alles Weh, 
Das über ſie Dein Vater einſt verhängte, 
Bringen dem Sohn ſie ihre Huld'gung dar —! 
Und wenn ſie brünſtig zu Madonna beten, 
So beten ſie aus tiefſter, wunder Bruſt: 
Gib uns den angeſtammten König wieder! — 
Roger (bewegt und begeiſtert entſchieden). 
Das iſt ein Wort, das meine Seele trifft — — 
Schont meines Volks — und ich will König ſein! 
Graf Matteo. 
Du reichſt die Fahne uns — ? 
Roger. 
Ihr reicht ſie mir — 
Im Namen meines Volks! — ſo ſchreibt darauf: 
Des Vaters ſchwere Schuld — ich tilge ſie! 
Nach langer Nacht, nach unbarmherz'gem Winter 
Soll's Tag und Frühling in Sizilien ſein! 
(Er erhebt das Kreuz des Schwertes zum Schwure, die Andern huldigen ihm.) 
(Die folgende Decoration fällt vor der Gruppe.) 


Verwandlung. 


Verfallenes Gewölbe. Mehrere runde zerbrochene Steintiſche und Säulentrümmer 
als Sitze. Eine große alte Lampe erhellt den Raum. 


— 


Vierte Scene. 


Ruggiero, Hugo, Gayto treten über eine Treppe herab, ihnen folgen allmälig 

ziele verdächtig und zerlumpt ausſehende Geſtalten, die ſich in nach läſſigſter 

Stellung auf den Trümmern gruppiren. Ein ebenſo ausſehender Menſch bringt 

ine große Kanne und Becher, worauf man zu trinken beginnt. Gayto trägt eine 
Mandoline.) 


Gayto. 
Da ſetz den Weinſchlauch her und ſpute Dich, 
Sogleich den zweiten auch hereinzuſchleppen. 
Der hält nicht lange vor; bezahlt wird Alles; 
Von uns nicht — nun, das weißt Du, Kerl — der Graf 
Zahlt doppelt, nicht gerechnet den Betrug 
Den Du vielleicht aus Dankbarkeit ihm ſpielſt. 
Ruggiero (trinfend). 
Was Dank? wofür? daß uns der Graf bezahlt? 
Er braucht uns — tränkt und füttert uns, der Edle, 
So wie man eine Koppel Hunde pflegt, 
Die man auf einen Hirſch zu hetzen denkt. 
Nun — 's kann geſcheh'n, daß er zum Werkzeug wird, 
So mancher Schweißhund jagt auf eignem Weg. 
Hugo. 
Ihr ſeid der Mann, der Niemand treu iſt — der 
Die ganze Welt verachtet und ſie haßt. 
Ruggiero (immer wild). 
Wer war denn mir treu? wer denn liebte mich? 
Mich hat ſie ausgeſpie'n, die ſchöne Welt, 
Nun ſoll ſie ſeh'n, was aus dem Auswurf ward. 
Hugo. 
Ich ſegne mir jedweden Umſturz — denn 
Wenn man den Böſen nicht gefallen hat, 
Muß man den Guten ſicherlich gefallen; 
Und ſo auch umgekehrt; erreichte man 
Bei jenen nichts — als guter frommer Chriſt, 
So hilft der Teufel uns wohl bei den Andern. 
Gahyto chat ſich nachläſſig auf den Tiſch geſetzt, mit der Mandoline klimpernd.) 
Bleibt mir vom Leibe mit Philoſophie! 
Da ſagt ſich, was man fühlt und was man will, 
Viel ſchärfer und viel luſtiger im Lied — 
Das Neueſte, was dieſer Wein gebar. 
Hugo. 
In vino veritas — doch braucht man Wein, 
Viel Wein auch, um die Wahrheit zu verjtehn! 
(Er trinkt lange.) 
Nun bin ich's fähig! 


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Ruggiero (Halb in ſich). 
Worte — Worte! ha! 
Gayto (Halb ſprechend, halb ſingend). 
Die zwei, die droben auf Purpur ruh'n, 
Die haben — beim Teufel — nichts zu thun — 
Wir wollen ihnen helfen! 
Sie wiſſen nur, wie ſie das Geld verthun, 
Sie freſſen das Ei zuſammt dem Huhn — 
(Humoriſtiſch.) Wir wollen ihnen helfen! 
Hugo (unterbrechend). 
Nun — das hat Sinn! 
Ruggiero. 
Still! unterbrecht ihn nicht! 
Gayto (fortfahrend). 
Sie haben zu lang ſchon gelebt — was nun? 
Doch wollen ſie noch nicht im Grabe ruh'n — 
(Sehr ſcharf.) Wir wollen ihnen helfen. 
Ruggiero. 
Ein Pfui dem Singſang! Buhlerei mit Muth, 
Verſtohl'ne Feigheit, die ſich ſelbſt bekränzt 
Und die nicht tödten, auch nicht ſterben kann! 
Da halt ich's anders — dieſes Eiſen da, 
Das bohrt ſo lang, bis Gold fließt — oder Blut! 


Hugo. 
Ihr ſeid ein gar zu ehrenwerther Schurke 
Und macht den Dolch zu einem Aushängſchild; 
Das warnt und ſchreckt die Leute vor der Zeit, 
Man kann ja, Liebſter, eine Maske tragen. 


Fünfte Seene. 
Vorige. Sangre (mit noch Mehreren, indeſſen ſich jo der Saal füllt). 


Sangré. 
Nun, wißt Ihr ſchon? er kommt! 
Gayto. 
Wer kommt? 
Sangre (ſtarkh). 
Bonello! 
Gayto. 
Wer kennt Bonello? 
Hugo. 
Wer denn kennt ihn nicht? 
Selbſt, wer ihn nie geſeh'n, der weiß von ihm. 


1 


Sangre (mit Sarkasmus). 
Ja wohl, er iſt der Hirt von vielen Schafen, 
Der Abgott aller ſtillen guten Bürger, 
Der unſichtbare rechte Arm des Adels, 
Der ihn für ſeinen zahmen Aufſtand braucht. 
Bonello kommt, von dem Ihr lernen könnt, 
Wie man Tyrannen von der Erde fegt, 
Ohn' einen Tropfen Blut dabei zu ſeh'n, 
Ruggiero (wild lachend). 
Da freu ich mich auf dieſen Wundermann! 
Der hat wohl Augen, deren Blitz entſeelt 
Und hat das Wort, das ſchneidet wie ein Dolch. 
Hugo. 
Er hat, was Ihr geſagt — ich kenn' ihn wohl 
Und war oft Zeuge ſeiner wahren Wunder. 
Er zieht die Herzen an — Gott weiß es — wie? 
Und die ihn haſſen, fürchten ihn zugleich; 
Er waltet unſichtbar — ſo wie der Tod. 
Gayto. 
Wer war's denn aber, der ihn zu uns rief? 
Sie wiſſen's Alle, daß er kommen ſoll, 
Doch keiner will ihn aufgefordert haben. 
Wart Ihr's? warſt Du's? Der? Dieſe? Jene? 
Ihr ſchüttelt Eure ſtrupp'gen Häupter — aber 
Er kommt — und iſt er da — muß Einer doch 
Das Wort im Namen unſer Aller führen; 
Verlachen oder gar verachten ſoll 
Der Mann uns nicht, den wir vielleicht noch brauchen, 
Ein guter Mann gilt für hundert Mann! 
Ruggiero. 
Wird dir ſchon bang, verkomm'ne Schurkenkraft? 
Vor einem Bürger-Abgott wollt Ihr zittern? 
Ich denke, ganz allein — wenn's alſo käm', 
Reſpect und Furcht dem Popanz einzujagen. 
Hugo. 
Das glaub' ich! Doch in Einem hat er recht: 
Wir müſſen Einen wählen, der die Red' hat, 
Der ihn fein grüßt — wir ſind von guten Sitten 
Und vieles liegt doch in der Form — der Form! 
Gayto. 
Das mußt Du wiſſen, Mönch! Nun wählt. Macht's kurz! 
Sprich ſelber Du — machſt viel gelehrt Geſchwätz. 
u go. 
Das iſt zu unverſtändlich für uns Alle — 
Ich denke — 


Gayto (auf Ruggiero deutend). 
Nun, der Antichriſtus da, 
Der den Weltuntergang im Sacke trägt, 
Wird wohl am Beſten imponiren — wie? 
ugo. 
Gott ſchütz uns! Hört er den zuerſt, ſo hält 
Er uns für eine Sekte von Banditen. 
(Bei Seite.) Ich war es, doch die Kerle ahnen's nicht, 
Der ihm den Zettel in die Hand geſpielt; 
Denn dies Geſindel macht mir felder bang. 
(Laut.) Das Wort muß fein fein — wohlbetont und ſchlau, 
Am beſten trifft es ſicher der Franzoſe, 
Ich ſchlage vor, Sangré ſoll für uns reden. 
Alle. 
Ja! ja! Sangre! — 
f Hugo. 
Ihr werdet — ? 
Sangre. 
Ja, ich werde! 


Sechste Seene. 


Vorige. Graf Matteo (im einfachen Kleide eines Volksmannes wird 
verbundenen Augen von Zweien hereingeführt, noch mehrere folgen). 


Gayto. 

Wen bringt Ihr? Freunde! weiß er unſ're Loſung? 

Sangre. 
Die feine Führer find — die bürgen uns. 
Nehmt unſerm Gaſt die Binde! 

(Es geſchieht.) 

Seid willkommen! 
Ihr ſteht im Kreiſe gleichgeſinnter Männer 
Und gleichen Zweck verfolgen wir, wie Ihr. 
Ihr ſeht, wir kennen Euch. 

Graf Matteo (ruhig die Verſammlung mufternd). 
Doch ich — nicht Euch; 
Und ſo begreift Ihr wohl, wie ſehr ich wünſche, 
Nicht lang im Dunklen über Euch zu bleiben! 
Sangré. 
Da Ihr das Schickſal von Sizilien kennt, 
Enthebt Ihr mich der Müh', weit auszuholen. 
Dies Eiland iſt ſchon lange krank und faul, 
Vom Gift des ſpan'ſchen Fremdlings angefreſſen, 
Den König Wilhelm ſchon ins Land gelockt. 
Graf Matteo (ihn firirend). 

Einmiſchung Fremder brachte ſelten Glück; — 
Ihr ſeid ein Sizilianer —? 


— u 


Sangre. 
Mit dem Herzen — 
Doch von Geburt bin ich Franzoſe, Herr. 
Graf Matteo. 
Vergebt — ich unterbrach Euch — fahret fort! 
Sangré. 
Nur bei der Minderjährigkeit des Prinzen — 
Bei der urplötzlich wilden Anarchie 
Wie ſie der Tirannei zu folgen pflegt, 
War's möglich jene Herrſchaft einzuſetzen, 
Die jetzt den Thron Siziliens befleckt. 
Hat Wilhelm uns mit Ruthen nur gepeitſcht, 
Jetzt züchtigt Robert uns mit Scorpionen 
Und Majo heißt ſein Scherge und — ſein Herr. 
Graf Matteo. 
Ihr nennet ſie mit ihren rechten Namen; 
Wie aber wollt Ihr die Dämonen faſſen, 
Wie denket Ihr Sizilien zu erlöſen? 
Sangré. 
Der Sturm der Rache fege durch die Inſel 
Und das Gewitter der Verzweiflung raſe 
Durch Land und Meer, durch Hütte und Palaſt. 
Das Haupt der Tirannei — es falle — und der Arm, 
Der dieſem Haupte dient — die Finger auch, 
Die feigen Sclaven dieſes Arms hinweg — 
Hinweg mit allen Mächtigen der Inſel — 
Wer höher ragt, den trifft der Blitz zuerſt. 
Graf Matteo. 
Und wenn nun das Gewitter ausgetobt — 
Und die Erſchlagenen das Feld bedecken, 
Wer von den Rächern ſoll der Herrgott ſein, 
Der nun den Himmel wieder blau färbt und 
Des Friedens und des Segens Sonnenſtrahl 
Auf die mit Blut getränkte Erde ſenkt? 
Gayto. 
Das iſt nicht unſ're Sache, weiſer Herr, 
Dazu vielleicht ſind Andere berufen, 
Die lieber denken, als ſie Thaten thun. 
Wir ſind lebend'ge Schwerter, tücht'ge Kerle, 
Und wer's verſteht und zahlt, der handhabt uns. 
Was gut für Alle iſt, geht uns nichts an; 
Wir wagen unſer Blut nicht für Begriffe — 
Was Recht und Rache iſt, mag der vertreten, 
Der uns zuſammenſchweißt mit ſeinem Gold. 
Graf Matteo (aufmerkſam). 
Ihr hättet denn ein Haupt? wer rief mich her? 


ee 


Sangre (einfallend). 
Wir dienen einer Macht und einem Herrn — 
Rief er Euch zu uns und er kommt nicht ſelbſt, 
So wünſcht er wohl noch unbekannt zu bleiben. 
Graf Matteo. 
Ihr ſolltet ſagen, weil er mir mißtraut. 
Ich aber komme ohne Mißtrau'n — ich allein! 
Hugo. 
Was hättet Ihr zu fürchten auch von uns? 
Wir ſind ja Gutgeſinnte, warten nur 
Auf das Signal zum Abthun der Tirannen, 
Und — wie man ſagt — habt Ihr denſelben Zweck. 
Graf Matteo (ihn muſternd). 
Nach Eurem Kleid ſcheint Ihr ein Mann des Friedens, 
Wie kommt Ihr zu dem blutigen Geſchäft? 
ug o. 
Ich bin auch nur ein frommer Eremit 
Und weihe dieſen da die Schwerter ein. 
Graf Matteo (gu den Andern). 
Wozu deun aber ſucht und braucht Ihr mich? 
Habt Ihr ein Haupt, das Euch verſteht und lenkt, 
Was ſoll mein ſchwacher Arm? 
Sangré (einfallend). 
Nicht Eures Arms, 
Nur Eures Namens, Herr, bedürfen wir. 
Man kennt Euch, ehrt Euch, und Ihr ſeid geliebt 
Und was Ihr thut, dünkt jedem Bürger recht. 
Wir ſind verkomm'ne Schatten, brodlos Volk, 
So frei als vogelfrei auf dieſer Inſel — 
Die Ihr da ſeht — ſie trieben einzeln nur, 
Irrlichtern gleich im Lande ſich herum, 
Und nur vereinigt ſind ſie eine Macht. 
Viel Arbeit gab's, zuſammen ſie zu ſchweißen, 
Ich hab's vollbracht — das Element iſt da, 
Womit man Throne rüttelt — Ihr verſteht? 
Graf Matteo ſ(ccharf, doch kalt). 
Wie viel bezahlt Euch denn der Frankenkönig 
Für dieſe Hetzjagd in Sizilien? 
Sangr«éé (auffahrend, die Hand am Schwert). 
Seht zu, womit ich dieſe Frage zahle. 
Graf Matteo (erhaben feine Hand auf Sangré's Arm legend). 
Laßt ruh'n — ich weiß nun, daß dieſe Frage traf. 
Gayto (aufmerkſam, mit falſchem Pathos). 
Was? für den Frankenkönig ſollten wir — 
Wir freien Sizilianer Blut vergießen? 


Be == 


Für unſern König — hieß es — geht es los, 
Wir ſchärfen unſ're Meſſer für das Recht! — 
Ruggiero (wild losbrechend). 
Was — König — und was Recht? Es gibt kein Recht 
Als das, was man ſich nimmt — und keinen König, 
Den nicht dazu Gewalt macht und erhält. 
Ihr ſchminkt mit feiger Lüge nur von Recht 
Das hungerbleiche Galgenangeſicht. 
Wir ſind — vernehmt's — Apoſtel nur der Rache, 
Würgengel der Vergeltung, dieſe Welt, 
Und heißt ſie nur Sizilien — zu zücht'gen, 
Daß ſie mit ihren Kindern ſchändlich ſpielt. 
Da ſitzen ihre Auserkornen, breit und faul, 
Auf gold'nen Stühlen, pflegen ihren Leib, 
Und brauchen — zwingen ihre armen Brüder 
Zur niedern Arbeit und zur niedern Luſt. 
Der gutgeſinnte, der behäb'ge Bürger, 
Dem Haus und Gold ſchon in der Wiege zufiel, 
Der ſcheute ſich vor dem zerlumpten Rock 
Und ſtoßt den Hungernden vor ſeine Thür, 
Den Ausſatz fliehend, der nur Elend iſt. 
Recht! Recht! Durch welches Recht herrſcht Jener, 
Der oben praßt auf dem geſtohl'nen Thron, 
Das Land ausſaugt mit ſeinen Kreaturen 
Und alle feigen Guten zittern macht. 
Wir ſind nicht gut — doch feige ſind wir nicht! 
Und wenn's ein Recht auf dieſer Erde gibt, 
So iſt's das Recht der Rache, die nicht ruht, 
Die ewig neu ſich ſelbſt gebiert und forterbt 
Bis zu dem jüngſten Tag, wenn's einen gibt. 
Mehrere Stimmen (laut und tumultuariſch). 
Ja — ja! Der Mann hat Recht! — Nur der ſpricht 
Ruggiero (mit geſteigerter Wuth fortfahrend). 
Mit Reden, Grollen und verſchloſſ'nem Haß 
Stürzt man die Welt nicht um; wer noch was hat, 
Das die Tyrannen ihm bisher gelaſſen, 
Der weckt nicht, nein, der fürchtet nur den Sturm, 
Der ihm den Topf vom Herde rücken könnte. 
Auf ſeine Haut — auf Luft und Sonnenbrand, 
Auf's eckle Nichts muß man verwieſen ſein, 
Wenn man dem Götzen furchtbar werden ſoll. 
Und bei des Teufels Macht! wir werden es! 
Der Tag wird kommen und er iſt ſchon da, 
Wo wir Sizilien ſeine Freiheit ſchaffen, 
Wo dann das Volk in ſeine Rechte tritt. 
Die Theilung dieſer Erde kehrt ſich um, 
2 * 


Wir greifen jubelnd in die vollen Speicher, 
Durchfegen das befleckte Königshaus — 
Und ſchwelgen in den Schätzen, die ſie doch 
Nur aus des Volkes Schweiß und Blut gepreßt! 
Mehrere Stimmen. 
(Geſteigerte Bewegung). 
Das wollen wir! uns rächen! Hoch das Volk! 
Graf Matteo (mit Majeftät). 
Das Volk! Nennt dieſe Bande auch ſich Volk! 
Und ſtiehlt den heil'gen Namen, wie den Thron 
Der heuchleriſche Sünder Robert ſtahl! 
Abſchaum des Volks und Auswurf ſeid Ihr nur! 
Ihr ſchreit nach Freiheit — frei ſchon wie das Thier, 
Das nach der Beute und nach Blute lechzt. — 
Den Frevel wollt Ihr rächen, Söldlinge 
Des Laſters ſelbſt, der Faulheit trunk' ne Knechte, 
Die ſtets nach Brote ſchrei'n, es nie verdienen, 
Die Welt anklagen, daß ſie krank an Gift, 
Indeß ihr ſelbſt die eklen Vipern ſeid, 
Die ſie geheim zernagen und zerfreſſen. 
Ruggiero (wild, indeß auch die andern vortreten) 
Welch’ eine Sprache wagt Ihr — ? 
Graf Matt eo (einfallend). 
Die der Freiheit! 
Was Euch die Zunge löſt: löst ſie auch mir, 
Ich hab Euch angehört — nun hört auch mich! 
Würgengel — Rächer von Sizilien, 
Ihr fürchtet Euch vor Eines Menſchen Wort? 
Ruggiero (bitter höhnend). 
Fürchten?! So Ihr nichts fürchtet — redet aus! 
Graf Matteo. 
Die Anarchie nach König Wilhelms Tod, 
Nur ſie hat die Tirannen eingeſetzt; 
Denn beſſer ſchien's dem wildgehetzten Volk 
Von eiſerner Gewalt regiert zu ſein, 
Als nur die Beute raubbegier'ger Wölfe, 
Erwürgend, was ſich nicht vertheidigen kann. 
So iſt's nicht mehr wie damals, dreimal nein! 
Das ewig Bleibende läßt ſeine Kraft — 
Sein Licht ausſtrömen — die Begeiſterung 
Am Guten — an dem Großen — an der Weisheit, 
An jenem Göttlichen auf dieſer Erde 
Das ſie durch Siege zur Vollendung führt. 
Sangré. 
Wenn das geſchehen ſoll, wovon Ihr ſchwärmt, 
So heißts zuerſt aufräumen mit dem Böſen, 


. 


Damit das Gute Platz hat, was Ihr meint. 
Zu ſolcher Arbeit ſeid Ihr viel zu fein; 
Mit ruh'gen Bürgern macht Ihr keinen Aufſtand, 
Jedwede Freiheit wird mit Blut getauft. 

Graf Matteo (mit geſteigerter Aufregung). 
Beklagenswerth und fluchgeweihtes Volk, 
Das ſeiner Güter Höchſtes — ſeine Freiheit 
Aus ſo befleckten Händen — Händen nur? 
Von ſo befleckten Seelen ſoll empfangen! 
Ausſchütten würd' ich ſelbſt den reinen Wein, 
In ſo verpeſtetem Gefäß geboten; 
Ausſpeien, wenn ich trank im Fieberdurſt! — 
Die Freiheit, der ich diene bis zum Tod, 
Weiß nichts von euch — ich will von euch nichts wiſſen! 
Dieß meine Antwort — ich geh' meinen Weg! 

(Er will fort.) 
Gayto (ihn haltend). 
Halt! ſolchen Gaſt hält man gern länger feſt! 
Nennt Ihr uns Auswurf — wollen wir's auch ſein, 
In dieſem Fall — und keine Großmuth fpielen. 
Ihr bleibt als Geißel, bis ... 
Hugo (furchtſam). 
Ja bindet ihn; 

Der Mann iſt ſehr gefährlich, iſt es uns 
Und kann uns Alle alſogleich verrathen. 


Ruggiero (mit wildem Hohn). 
Wär' er ein Haſenfuß wir Ihr, gewiß! 
Ich denk', man läßt ihn laufen! wer allein 
So viel des Muth's bewies, der ganzen Bande 
Den „Aus wurf!“ trotzig in's Geſicht zu ſchleudern, — 
Beſchmutzt ſich nicht mit ſchmutzigem Verrath. 


Gayto. 
Das glaubſt nur Du — wir andern glaubens nicht. 


Mehrere. Viele, zuletzt Alle außer Ruggiero. 
Wir glaubens nicht! Nehmt ihn gefangen! d'ran! 
Graf Matt eo bat raſch das Schwert gezogen und faßt Stellung). 
Wer mich berührt, den mach' ich bleich. Verſucht's! 
Wollt Ihr ſo viele gegen Einen Mann 
Das Heldenſtück vollenden — opfert Euch! 


Gayto. (Indeß mehrere ziehen und auf ihn eindringen.) 
D'rauf los! Und kümmert euch nicht um ſein Wort! 
(Er dringt mit ein, jedoch nicht vorne.) 


Siebente Scene. 
Gaufred Graf von Alife (tritt unter die Verſammlung). Vorige 


Alife fa). 
Wer führt — wem gilt das nackte Eiſen, wo 
Ich nicht befahl? in wen verbeißt Ihr euch, 
Blutdürſt'ge Beſtien! laßt ab! — da nehmt — 
(Er wirft ihnen eine Börſe Goldes zu.) 
Und knurrt und ſpart den Zahn, bis ich ihn brauche! 
(Sie weichen theils grollend, theils befriedigt zurück.) 
Gayto (abfeits). 
Sieh zu, daß Du den Zahn nicht ſelber fühlſt. 
Alife (zu Sangré, der noch vorne bleibt). 
Wer aber iſt der Mann, Sangré — was will ... 
Bei meines Vaters Schatten — ja er iſt's! 
(Zu Graf Matteo.) 
Du biſt Matteo — ja? o, rede! — Du!? 
Genoſſe meiner Kindheit — meiner Jugend 
(ſehr erſchüttert) 
Aus jenen Tagen wo ich glücklich war. 
Matteo! ſprich! — ſchweigt denn Dein Herz? Du biſt's! 
Graf Matteo (weicht ihm ernſt die Hand). 
Ich bin Matteo, — ja, ich kenne Dich 
Und kenn' Dich nicht mehr! ſteigſt Du aus dem Grabe. 
A life (tief bewegt und verbittert ernſt). 
Ja, aus dem Grab, ein ruheloſer Geiſt, 
Getrieben von den Schatten meiner Eltern! 
Graf Matteo (bewegt mit tiefer Theilnahme). 
So ſind ſie todt?! — Die edle ſchöne Mutter — — 
Alife (mit ſarkaſtiſchem Schmerz und auflodernder Wuth). 
Die ſchöne Mutter ſtarb, das Herz zernagt, 
Langſam getödtet von dem Gift der Schmach, 
Die ihr der freche Robert angethan. 
Mein Vater ſtarb, geblendet tief im Thurm, 
Weil er des Weibes Schande nicht ertrug! 
So ſind ſie beide todt — todt wie der Glaube, 
Daß heut die Menſchheit menſchlich denkt und fühlt. 
(Mit ſteigender Emphaſe.) 
Ich ſelber riß das Herz mir aus der Bruſt 
Das ewig ſchwache, leicht verhöhnte, feige — 
Ich nahm der Rache Geiſter in mich auf, 
Die nun in meinem Corſenblute raſen, 
(Auf die Bande zeigend). 
Und die mich hier umzüngeln, wie Du ſiehſt. — 
Der hingewürgten Ehre meiner Mutter, 


Be a 


Dem Schatten meines augenloſen Vaters 
Bring ich ein Opfer, wie's die Welt nie ſah: — 
Zum Friedhof mach' ich ganz Sizilien, 
Zum Friedhof für die Sünder, die noch leben, 
Und für die feigen Knechte dieſer Brut, 
Die nun in Purpur ihre Laſter hüllt! 
Erbärmlich! — ich verachte dieſe Welt! 
Graf Matteo ſmit ernſtem begeiſtertem Nachdruck). 
Und ich — ich liebe — ich erlöſe ſie! 
(Er wendet ſich.) 
Alife (mit erhabenen Hohn). 
Du wendeſt ſchaudernd Dich von mir?! Matteo! 
Sraf Matteo (faßt Alife's Hand, mit durchbohrendem Blicke). 
Unſel'ger Tag, wo wir uns wieder fanden! 
Ich — oder Du! — Siziliens Wohl und Weh' — 
Es ſcheidet uns auf ewig von einander, — 
Uns Beide trägt fortan die Erde nicht! 
geht ſtolz und raſch ab, die Anweſenden machen eine Bewegung gegen ihn, Alife 
wehrt kalt mit der Hand ab.) 


Der Pang fäl. 


Zweiter Art. 


(Prächtiges Gemach Majo's im königlichen Palaſte zu Palermo. Rückwärts 

Stufen das Geländer eines Balkons, über welchen hinaus die Ausſicht auf Pale 

und das Meer frei iſt und zwar durch einen großen Bogen der vordern Dekora 

Der Ausgang zum Balkon iſt von beiden Seiten durch Marmorſäulen und ſind 

dem Geländer des Balkons zwei ſchön geformte hohe Kandelaber angebracht, w 
ſpäter angezündet werden.) 


Erſte Seene. 


Majo (ſitzt an einem Tiſche mit vielen Schriften, in einem Armſtuhl. Vor 
ſteht der Spanier Sandoval, ihm Bericht erſtattend und einige Pay 
übergebend). 


Majo. 
Du ſagſt die Stadt iſt ruhig! 
Sandoval. 
Wie das Grab. 
Man hört das Meer bis in die Straßen branden, 
Und jeden Vogel der mit ſchweren Flügeln 
Die Wellen ſtreift; kaum, daß des Tages Arbeit, 
Die ſonſt ſo lärmende, recht hörbar wird; 
Palermo — ſcheint's — hält langen Feierabend, 
Doch ohne Sang und Klang. 
Majo ſccharf betonend). 
Und das bedeutet? 
Sandoval. 
Die Deutung ſtell' ich Euch anheim — nur Euch! 
Für meine Augen ſteh' ich, daß ſie ſeh'n — 
Das was ſie nicht ſeh'n, zu errathen, iſt 
Nicht meine Sache, der Profet ſeid Ihr! 
Majo. 
Ich weiß recht gut mein Freund, was Du verſchweigſt 
Und es iſt gut, daß du zu ſchweigen weißt; 
Ganz ſicher: wir verſteh'n auch dieſe Sprache. — 
Was hält'ſt Du da noch in der Hand? Gib her! 


— 25 — 


Sandoval k(eeicht ihm eine Schrift). 
Ein off'nes Schreiben an den Admiral, 
Von zwanzig braven Bürgern unterzeichnet. 
Sie bitten Euch, den König zu bewegen, 
Daß er ſie ſelbſt empfange — — — 
Majo (einfallend und auffahrend). 
Er ſie — ſelbſt?! 
Und ich ſoll ihn dazu bereden? ſind 
Sie toll? Der König iſt unnahbar und 
Verkehrt perſönlich niemals mit dem Volk. 
Die Laſt trag' ich allein; — ſo will's der König, 
Und ſo ward's ausgerufen in Palermo; 
(nach einer Pauſe.) 
Sag' ihnen: ihre Bitte iſt gewährt, 
Doch will ich früher noch ſie ſelbſt empfangen. 
(Mit beſonderer Betonung.) 
Entlaß ich ſie, — und ſag' ich Dir: „zum König“ — 
Verſchwinden ſie für immer in den Thürmen! — 
Ich will euch zeigen, wer der Herr im Land. 
(Abbrechend.) 
Taucht das Geſpenſt Bonello nirgends auf? 
Sandoval. 
Nicht in Palermo — noch auch anderswo. 
Majo (für ſich). 
Und dennoch glaub' ich: iſt es kein Phantom! 
(Ein Kapitän des Palaſtes erſcheint von der Halle rückwärts.) 
Kapitain (indem er die Thür öffnet). 
Großadmiral und Kanzler ſeid bereit! 
In dieſem Augenblick erſcheint der König, 
Vom Kirchgang kommend will er ſelbſt zu Euch. 
Majo (ſteht auf und winkt Sandoval Entfernung zu). 
Er ſelbſt? zu mir?! — Die Trägheit in Bewegung? 
Was ſchreckt ihn auf? er iſt doch ſtets allein. 
bert bleichen finſteren Angeſichts, ſtark und ſchwerfällig am Körper, in Schwarz 
eidet, doch mit königlichen Attributen, tritt langſam ein von der Halle rückwärts, 
den Pagen Entfernung zuwinkend). 


Zweite Seene. 


Robert, Majo (der fih tief verbeugt). 


Robert (ſcharf). 
Ihr wißt nicht Alles, was Ihr wiſſen ſollt, 
Und wenn Ihr's wüßt, warum verſchweigt mir Majo 
Was ſeine hundert Augen ſeh'n? Da les't! 
(Er gibt Majo einen Zettel.) 


zn (ae 


Majo. 
Das muß bedeutſam ſein, was meinen König, 
Wenn auch erzürnt, zu ſeinem Diener führt. 
(Robert hat ſich geſetzt, indeß Majo den Zettel durchfliegt.) 
Ro bert. 
Ich fand den Zettel auf den Betſtuhl; Ihr 
Begreift, wie ſehr er mein Gebet geſtört. 
Majo (mit ſtarrer Ruhe). 
Das kleine Blatt — wahrhaftig — meldet viel, 
Was ſchwachen Seelen Unruh' machen könnte. 
Der Herzog von Apulien: Prinz Roger — 
So heißt es hier — ſei nicht todt, nur verſchollen 
Und warte nur auf ſeine Zeit! Der Graf 
Von Syracus — der wiſſe mehr davon; 
Der Zettel warnt Euch aber vor Bonello. 
Robert (finſter einfallend, mit Verachtung). 
O, dieſen Schatten, der nur im Gehien 
Des müß'gen Pöbels ſpuckt, den fürcht ich nicht; 
Denn ganz Sizilien — weiß ich — fürchtet mich! 
Doch das vom Herzog von Apulien — 
Wenn er noch lebt, iſt wohl des Denkens werth, 
Ihr ſagtet mir — die Inſel glaubt es auch: 
Der Prinz ſtarb bald nach ſeines Vaters Tod — 
Im Ausland — war's nicht ſo? 
Majo (entſchieden). 
Es iſt auch ſo! — 
Ich bin vom Tod des Prinzen überzeugt — 
Robert lihn ſcharf fixirend). 
Ihr müßt es ſein — und ich — ich glaube Euch, 
Ihr hab't mir's auf die Hoſtie geſchworen, 
Als ich den herrenloſen Thron beſtieg. 
Ich will nicht fürchten, daß er lebt, doch kann's 
Die Ruhe von Sizilien gefährden, 
Wenn uns ein falſcher Kronprinz auferſteht. 
Majo. 
Wenn das Euch Sorge macht — mich läßt es ruhig — 
So bitt' ich Euch: ertheilet mir Befehl, 
Wie dem Geſpenſt begegnet werden ſoll. 
Robert (ccharf). 
O, dies Geſpenſt hat ſicher Fleiſch und Blut, 
Und iſt ſo ſterblich, wie der wahre Prinz. 
Erſcheint es irgendwo im Hermelin, 
So macht es ſtumm, bevor es reden kann, 
Und zeigt dem Volk die Leiche des Betrügers. 
Wer aber aus dem Troß' ihm zugejubelt, 
Ja, nur aus Neugier ſich an ihn gedrängt, 


Mann oder Weib — Kind oder Greis — merkt wohr 
Und ſorgt dafür: der ſtirbt den Tod durch's Beil! 
So will ich es — allein der König — ich! 


Majo (klauernd). 
Und wenn das Volk Euch wieder grauſam ſchilt? 


Robert. 

Es ſchelte mich und zittere vor mir! 
Gezüchtigt muß es werden — dies Geſchlecht, 
Und bin ich ſeine Geißel — bin ich es, 
Durch deſſen Willen, der das All regiert; 
War's nicht ſein Wille, kam ich nicht zur Macht! 

(immer fanatiſcher) 
Geſcheh'n muß das nur, was nothwendig iſt, 
Gewalt nur hält die Elemente nieder, 
Die dieſe Welt zer freſſen, find fie Be 
Gott ſchuf den Tiger und ſchuf die Gazelle, 
Wenn jener ſie zerreißt — ſo muß es ſein, 
Der über Alle herrſcht, weiß es: war um? 


Majo (bei Seite). 

Du biſt noch weit 8 bedarfſt Du Gott, 
Was man ſo nennt, Dein Handeln zu beſtimmen. 
Ich bin Dein Gott, der Dich erhob und ſtürzt. 

(Zu Robert, die Ironie ſeiner Worte verhehlend.) 
Ihr ſeid erleuchtet von dem höhern Geiſt, 
Ich denke irdiſcher und preſſe mühſam 
Der Scholle meine dürft'ge Weisheit ab. 
Doch kommt auch dieſe wohl zuletzt — von Gott. 
So hab' ich eben jetzt ganz wohl erfaßt, 
Daß nicht der Prinz — ob ächt nun oder nicht, 
Euch, königlicher Herr, gefährlich iſt. 
Bedeutender als Ihr vorhin gemeint 
Scheint mir Bonello, er iſt kein Phantom! — 
Und wenn die Inſel wirklich in Bewegung: 
So iſt er ihre Seele — und ihr Schwert. 


Robert. 

Das eben ſagt mir ja das kleine Blatt! 
Die Warnung kommt mir von den Mönchen zu, 
Die ſeh'n mit ſchärfern Augen, wie es ſcheint. 

Majo (tritt zu Robert, nachdrucksvoll). 
Und wenn ich ſelbſt nun ſchärfer ſah' — als Ihr? 
Ich — dem Ihr niemals glaubt, wenn ſeine Hand 
Die kleine Wolke Euch am Himmel zeigt, 
Die unſcheinbar — doch ein Gewitter kündet? 
Ihr ſeid zu ſicher — König — 


u 2 


Robert (ihn unterbrechend). 
Nur durch Euch! 
Wenn Majo wacht, kann Robert ruhig ſchlafen. 
Majo. 
Doch weil ich wache, ſeh' ich, wer nicht ſchläft! 
Ihr deckt Euch mit der Sendung Gottes zu, 
Ich decke mich nur ganz allein mit mir. 
Robert. 
Wenn Ihr nun aber die Gefahr erkennt, 
Was ſagt der Geiſt Euch, um ſie wegzurücken? 
Majo (mit Nachdruck). 
Man muß die Seele fangen, die's verſteht, 
Mit Adlerſinn die Tauben zu befruchten; — 
(.cſcharf und fanatiſch) 
Bonello muß verſchwinden — das Phantom! 
Robert. 
Ihr habt ja Vollmacht . . .. 
Majo (einfallenb). 
ü Vollmacht? gebt mir Weisheit, 
Die mich belehrt, wie man die Seele fängt, 
Die wirklich — ſcheint's — in keinem Körper wohnt. 
Viel hundert Menſchen haben ihn geſeh'n, 
Den Mann der That, wie ihn das Volk benennt; 
Doch ſahen ſie ihn hier und dort zugleich 
Und die ihn ſuchten, fanden ihn nicht mehr. 
Er iſt in ganz Sizilien — er wirkt! 
Und überall die Spuren ſeines Wirkens; 
Doch Niemand weiß, wo er ſich pflegt und ruht. 
Robert (bitter und mit ſteigendem Zorn). 
Das konnte ſein, wo Ihr mit Eurer Hand 
Krampfhaft die ganze Inſel doch umklammert? 
Das konnte ſein, wo tauſend ſich're Schergen 
Zu jedem Dienſt Euch zu Gebote ſteh'n? 
Das kann ſo ſein, wo jedes falſche Wort 
Den Kopf, der es gebar, vom Rumpfe reißt? 
Geht, Ihr ſeid alt geworden, wenn ein Mann, 
Der uns gefährlich, noch gefahrlos lebt! 
Majo (mit verbiſſenem Grimm). 
Mein König zürnt — und doch — nicht ganz mit Recht, 
Ich hab' die Fährte meines Wild's; der Zettel 
Wirft einen Funken in die wirre Nacht. 
Robert. 
Sprecht deutlich, was Ihr meint, ich will es wiſſen. 
Majo (ihn ſcharf fixirend). 
Ich weiß nicht, König, ob Ihr Euch erinnert, 
Daß ich vergang'nes Jahr Euch kundgethan, 


2 Me 


Ein junger Edelmann Apuliens, 
Voll Geiſt und edler Körperherrlichkeit, 
Bewerbe ſich um . . .. Euer Kind Dolores, 
Die mich, wie wir's beſchloſſen, Water nennt. 
Weil Niemand dies Geheimniß kennen darf, 
Saht Ihr das ungern und verwarft die Sache, 
Und ſo wies ich den kühnen Freier ab. 
Seitdem iſt er verſchwunden aus Palermo 
Und nur ſein Schatten taucht zuweilen auf. 
(Mit Nachdruck. 
Der Mann hieß ſonſt der Graf von Sr bas 
Sein Schatten könnte wohl Bonello 1 
Robert. 
Es könnte ſein — das heißt noch nicht: Es iſt! 
Und wenn es wäre, ſind wir deshalb weiter? 
Unfaßbar iſt der Graf von Syracus, 
So lange man ihm nicht beweiſen kann, 
Daß er Bonello iſt — und unſer Feind. 
Und was ſoll meine Tochter in der Sache? 
Majo. 
Ich ſeh' darin die einzig rechte Spur, 
Die uns zur Wahrheit und zum Siege führt. 
Ich hab' dem Freier Haus und Hand verſagt, 
Doch Seelen, die ſich lieben, trennt man nicht! 
Ich leſ' es in Dolores feuchten Augen, 
Daß ſie im Geiſt bei ihm iſt, den ſie liebt 
Und daß ſie weiß, wo ihn ihr Gruß erreicht 
Ich werd' ihr das Geheimniß ſchon entlocken. 
Robert. 
Das Kind iſt ſtark an Geiſt. Wenn ſie ſo ſtark 
In ihrer Liebe — dann mißtraut ſie Euch, 
Ihr habt ihr Herz Euch nie geneigt gemacht. 
Majo (dämoniſch). 
O — wenn und weil ſie liebt — fo iſt fie ſchwach; 
Ich lege ihrer Liebe meinen Haß 
Gebunden zu den Füßen — und gebt Acht, 
Sie glaubt dem Manne, den ſie Vater nennt 
Und weint vor Freuden ihr Geheimniß aus. 
Robert (ihn ſtarr anſchauend). 
Und wenn es Euch gelingt, wenn ihr Verrath 
Den Heißgeliebten in die Schlinge lockt, 
Und wenn ſie nun entdeckt, was ſie gethan, 
Und d'rob verzweifelt — 
Majo (mit eiſiger Kälte einfallend). 
Sagtet Ihr nicht ſelbſt: 
Geſcheh'n muß das nur, was nothwendig iſt;“ 


Wer ſich vor Thränen und gebroch'nen Herzen, 
Des Wahnſinns Blick und Blutvergießen ſcheut, 
Der krieche gleich in einen Weiberrock 
Und ſei der Sklave wechſelnder Gefühle, 
An denen die entnervte Menſchheit krankt. 
Wer herrſchen will und muß — ſei unbeherrſcht 
Und liebe Niemand als ſich ſelbſt — die Macht! 
Robert (ſteht auf und legt eine Hand auf Majo's Schulter) 
Es iſt etwas in Euch, vor dem mich ſchaudert, 
Und das zugleich mich zur Bewunderung zwingt, 
So frei von jeder Schwäche des Gefühl's, 
Von jeder trüben Ahnung möcht' ich ſein! 
Zwar lieb' ich Niemand — Dämon! auch nicht Dich, 
Der meines Weſens ſcharfes Echo iſt. 
Nur wenn Du von Dolores ſprichſt — da geht's 
Wie eine warme Welle mir durch's Herz. — — 
(Bebend.) 
Und dennoch lähmt ein Schauder alle Sinne. 
(Wild ſein Gefühl abſchüttelnd.) 
Das iſt ein kranker Tropfen Blut in mir — 
Und ſoll nicht wieder — (raſch abbrechend) waltet Eures Amt's, 
Sagt mir: Bonello ſchläft, damit ich ſchlafe — — — 
(ſehr langſam) 
Und nennt mir nie das Kind der Sünde wieder! 
(Er geht, noch einen durchdringenden Blick auf Majo heftend, langſam 


Dritte Seene. 


Majo (allein, ſieht dem Abgehenden ſarkaſtiſch lächelnd nach, dann läutet er, 
Ein Diener (tritt ein). 


Majo. 

Ruft mir Dolores, meine Tochter her! 

(Diener ab.) 
Schwerfäll'ger König, der zu herrſchen glaubt, 
Wenn er drakoniſche Geſetze gibt 
Und Bluturtheile unterſchreibt, die ich — 
Die ich ihm vorgelegt! Armſel'ger Geiſt, 
Der ſich zum Engel Michael mit dem Schwerte 
Aufſchwellen läßt von ſchlauer Pfaffenzunft, 
Und als ein Werkzeug des erzürnten Himmels 
Sich zur erhab'nen Grauſamkeit erhitzt! 


(Mit beſonderem Nachdruck.) 
Hab' ich dem Volke Dich verhaßt gemacht; 
Wird ſich und mich das Volk von Dir befreien; 
Und iſt die Inſel ohne Schutz und Herrn, 
So wird zum Herrſcher, wer die Macht in Händen, 
Die ſtrenge Maske ſchnell zu wechſeln weiß! 
Bald wirſt Du reif, wie Deine blut'ge Saat, 
Der Schnitter kommt und müßt ich's ſelber ſein! 
D'rum gilt's die Sichel jenem zu entwinden, 
Der ſie mit ſeinen hundert Händen ſchwingt. 
Bonello, wer Du biſt, mir ſagt's der Geiſt, 
Die Liebe wird Dein böſer Engel ſein! 


Vierte Scene. 


Maj o; Dolores (titt ein, fie trägt über das Kleid geſchlungen eine rothe 
Schärpe). 


Dolores (fich verueigend). 
Ihr habt mich rufen laſſen, Herr und Vater, 
Gehorſam dem Befehl erſchein' ich hier. 
Majo. 
Befehl? s'iſt heute eben kein Befehl. 
Dolores (ruhig). 

Doch ſonſt und immer, ich gehorch' wie ſonſt. 

Majo (nach mildem Tone ſuch end). 
Wenn Deine Seele eine Ahnung hätte, 
Warum ich Dich zu mir berief, mein Kind, 
Du fühlteſt Flügel an den Sohlen; — aber 
Die Ahnung fehlt, weil Dir die Liebe fehlt, 
Die Dich zum Vaterherzen ziehen ſollte. 

Dolores. 
So viel Ihr ſelbſt an Liebe zu mir fühlt, 
So viel und mehr gibt Euch mein Herz zurück. 
Majo. 
Wir wollen mit Empfindungen nicht rechnen, 
Doch daß ich tief im Herzen Dein gedacht, 
Ich will's in dieſer Stunde Dir beweiſen. 
Setz' Dich, mein Kind — ſo komm' doch näher; was 
Ich Dir zu ſagen habe, darf die Luft 
Von meinem Mund weg nicht in's Weite tragen; — 
Es iſt allein für Dich — Du böſes Kind! 
(Er zieht ſie an ſich, Dolores ſetzt ſich zögernd.) 


Dolores (ihn feſt anſchauend). 
Ihr ſeid mir heute ungewöhnlich mild 
Und fremd an Euch erſcheint mir Ton und Sprache. 
Majo. 
Das mag ſo ſein; wie ſelten läßt die Wucht 
Der finſtern Sorgen für das Land mich fühlen, 
Daß eine ſüße — daß ein Kind mir lebt! 
Und welches Kind! welch' geiftesitarfe Tochter — 
Geſchmückt mit jedem Reize der Erſcheinung, 
Geſegnet mit der Blüthe des Gemüth's. 
Dolores (abwehrend). 
Ich wünſchte, Herr, daß Ihr mich kennen möget, 
Dann blieb mir die Beſchämung wohl erſpart; 
Ihr wolltet ja — ſo ſchien's — mir Gutes künden? 
Majo. 
Das will ich! Nun ſo höre mich, Dolores! 
(Er faßt ihre Hand, ſie feſt in's Auge faſſend.) 
Haſt Du den jungen Edelmann vergeſſen, 
Der jüngſten Sommer Dir das Herz bewegt? 
Haſt Du entſagt, im Innern auch entſagt? 
Dolores (mit mildem Ernſt). 
Ich hab' ihn nicht vergeſſen — nicht entſagt! 
Majo. 
So hoffſt Du doch? — — 
Dolores (flog und warm). 
Was nur? — ich liebte ihn. 
Majo. 
Und liebſt ihn noch? 
Dolores (entjchieden). 
Ich lieb' ihn noch und immer! 
In dieſer Liebe leb' ich — ſterb' ich auch! 
Majo (fie feſt anſehend). 
Der Graf von Syracus — fühlt ſo wie Du? 
Dolores. 
Mir iſt: es muß ſo ſein! mein Herz ſagt ja! 
Majo. 
So grollſt Du Deinem harten Vater wohl, 
Der unfreiwillig dieſes Band getrennt 
Und nicht die Liebe, wie ich ſehen kann, 
Doch Dir das Glück der Liebe tödtete. 
Dolores.“ 
Wie? unfreiwillig? ſagtet Ihr — mein Vater? 
Wer konnt' Euch zwingen, Ja und Nein zu ſagen? 
Euch iſt das Recht gegeben über mich; 
Wer aber hebt des Waters Rechte auf? 
Majo (finfter und abgewendet). 
Der König ſelbſt verwarf den Edelmann — 


5 


Dolores (mit ſtolzer Verachtung und Aufwallung). 
Der König? welcher König? jener Robert, 
Der ſich ſo nennt und nennen läßt, weil Ihr 
Ihm die geſtohl'ne Krone aufgedrückt? 
Mir lebt kein König von Sizilien 
Ich weiche der Gewalt; — die Seele — nicht! 
Majo (bei Seite). 
Ich kenn' den Fels, von dem dies Echo kommt; 
Das ſtimmt mit meiner Ahnung ganz zuſammen. 
(Laut.) 
Du ſprachſt es aus, — wir weichen der Gewalt, 
Die Robert's iſt und wohl noch bleiben muß, 
Soll nicht die Inſel aus den Fugen geh'n. 
O, meine Tochter! ſäh'ſt Du in mein Herz, 
Du würdeſt Deinen Vater milder richten 
Und ihn beklagen, daß er ſich verurtheilt, 
Die blut'ge Glorie Robert's noch zu theilen. 
Im Hintergrund winkt eine beſſ're Zeit, 
Siziliens ſchwere Tage geh'n zu Ende, 
Und — ſieh, ich weiß — der Retter iſt nicht fern. 
(Sie durchdringend, doch mild anſchauend.) 
Vielleicht erahn' ich ihn — vielleicht Du ſelbſt, 
Die für die Freiheit von Siziliens glüht. 
Dolores (für ſich). 
Gott, welche Flammen zucken in mir auf! 
19 
Es ſtehen ſchwere Kämpfe uns bevor, 
Wer weiß es, wer von uns ſie überlebt? 
Nicht ohne Freund und Schützer ſollſt Du ſein, 
Wenn mich das Schickſal abruft vor der Zeit. 
Dolores! folge Deinem Herzen! — ich 
Will mir den edlen Grafen ganz verſöhnen, 
Er ſoll mir Freund — er ſoll Dir Gatte ſein! 
Dolores (für ſich). 
Ich ſeh' die Schlange, wie ſie näher kriecht, 
Herz! reg' Dich nicht und — — höre! 
Majo (ſanft zu Dolores). 
Faſſe Dich, 
Mein theures Kind! die Wandlung macht Dich krank — 
Du aber mußt geſund ſein, holde Braut, 
Bald ſtehſt Du am Altar mit Deinem Freunde! 
Dolores (das Haupt erhebend, raſch). 
So weiß er — weiß der Graf auch ſchon davon? 
Auf Einmal Frühling nach dem langen Winter? 
Vergebt mir, wenn ich noch mein Glück bezweifle, 
Matteo weiß denn — —? 


fie 
ww 


ra in 


Majo (einfallend). 
Weiß? er ſoll es wiſſen! 
O, könnte doch ein Blitz uns Bote ſein! 


Dolores (für fid). 
So plötzlich heiß ſucht er den Grafen auf? 
Das glaub ich nicht. 
(Laut.) 
So weiß der Graf noch nicht, 
Was Ihr ihm zugedacht? 
Majo. 
Wie wär' dies möglich, 
Da Niemand weiß, wo er zu finden iſt? 
Der edle Mann entzieht ſich unſer'n Augen 
Und hüllt ſich tief in ein Geheimniß ein. 
Dolores (raſch für ſich dazwiſchen). 
In ein Geheimniß — ?! wenn es — wenn es wäre! 
Schnell ahnt der Haß — die Liebe ſchneller noch! 
= DER 1. 
Ich warf geheime Botſchaft in die Luft, 
So daß ſie ihm zu Ohren kommen mußte; 
Er kommt nicht — nun — vielleicht mißtraut er mir. 
Dolores (immer aufmerkſamer). 
Mißtraut Euch — — 2 
Majo. 
Er iſt weiſe, thut er das; 
Der Schein iſt gegen mich; er haßt mich wohl, 
Und weiß nicht, was ich tief im Herzen trage. 
Dolores (ihn immer betrachtend, für ſich). 
O, meine Ahnung wächſt — gewinnt Geſtalt! 
(Laut.) 
Das iſt recht traurig; wie iſt da zu helfen? 
Majo (mit ruhiger Entſchiedenheit). 
Sag' lieber, wer hilft da allein? Nur Du! 
Dir glaubt er und Dir wird er auch vertrau'n. 
Dolores (ihn ſcharf ins Auge faſſend). 
Ihr ſetzt voraus, und ſehr beſtimmt, ich wiſſe, 
Wo ſich der Graf von Syracus befindet? 
Ma jo. 
Ich bin davon ganz ſicher überzeugt! 
Die Liebe bricht nicht alle Brücken ab, 
Auf der die Seelen zu einander wandern; 
Und wenn der Vater auch ſein Machtwort ſprach 
Ihr habt Euch doch geſeh'n — verläugn' es nicht! 
Dolores (mit ſteigendem Ernſte). 
Ich läugn' es nicht; er ſuchte, fand mich auch! 


- 85 = 


Wo er ſich aufhält, wußt' und weiß ich nicht; 
Mich dünkt, mir ziemt es nicht, darum zu fragen. 
Majo ſſih vergeſſend, etwas ſcharf). 
Weich mir nicht aus; Du weißt es, wo er iſt. 
Dolores (für ſich, raſch). 
Das iſt der Ton, in dem die Wahrheit liegt, 
Nun fühl' ich, wen er in Matteo ſucht. 
(Laut und entſchieden.) 
Und wenn ich's wüßte, ſo verſchweigt's mein Herz. 
Majo (fich ſchwer beherrſchend). 
Wie? dankſt Du ſo für meine Liebe, Kind! 
Für alle Seligkeit, die ich Dir heut', 
Mein Herz erſchließend, mild zu Füßen legte? 
Dolores (in fiebernder Bewegung). 
Ihr gabt an Liebe mir bisher ſo wenig, 
Daß deren Fülle heut zum Räthſel wird. 
(Zurücktretend, ſehr ernſt). 
Ich fürchte, daß die Löſung tödtlich iſt. 
Majo (getroffen, ſtark). 
Was fürchteſt Du — ? für wen denn zitterſt Du? 
Dolores (mit Emphaſe näher tretend). 
Ihr ſinnt Entſetzliches! 
Majo (wild). 
Wer ſagt Dir das? 
Dolores (in großer Wallung). 
Mein Herz, das Ihr zu foltern Euch nicht ſcheut, 
Mein Geiſt, dem treue Lieb' in ihrer Angſt 
Den Blick, der in den Abgrund dringt, verleiht, 
Aus dem die väterlichen Worte klingen 
Indeß ein Dämon Euch im Auge ſitzt. 
(Mit geſteigertem Affekte.) 
Ihr ſeid mein Vater nicht — Ihr könnt's nicht ſein 
So grauſam quält er ſeine Tochter nicht! 
Aufdämmern plötzlich meine Kinderjahre — 
Ich hab' Euch nie geſeh'n — Ihr ſpracht mir nie 
Von meiner Mutter, ſchnittet jede Frage 
Der Kindeslieb' mir rauh und finſter ab. 
Ihr wolltet meines Herzens heil'ge Liebe 
Mißbrauchen nun zu finſter'm Häſcheramt, 
Das Euch den Kopf des Edlen liefern ſoll. 
Wer auch mein Vater iſt — Ihr ſeid es nicht, 
Mein Herz verſagt das Echo dieſem Wort, 
In dieſer Stunde wendet ſich's von Euch! 
Majo (kalt und herb). 
Wenn das ſo iſt — Du ſelber ſprichſt es aus — 
So weiß ich nichts von einer Tochter mehr 
3 * 


5 


Und meinem Namen ſtehſt Du nicht mehr näher 
Denn als Siziliens letzte Bettlerin! 
Was ſein muß, wird auch ohne Dich geſcheh'n; 
Ich habe Dich durchſchaut, nun weiß ich ſicher, 
Wer das Phantom Bonello war und iſt. 
(Dämoniſch.) 
Sieh' zu, daß Engel Deinen Schlaf bewachen, 
Daß Du aus Angſt im Traume nicht verratheſt, 
Wo Dein Geliebter weilt, und wiſſe auch — 
(ſehr ſcharf doch langſam.) 
Wo Du auch biſt, was Du beginnſt und ſchaffſt — 
Nie biſt Du — und nie athmeſt Du allein! 
(Er geht, die Blicke finſter und böſe auf Dolores heftend, ab.) 


Fünfte Scene. 
Dolores (allein, Majo ſtarr nachſehend). 


Dolores. 
Ich glaub' an Deinen Haß — der Schleier riß, 
Mir ſagt die Liebe nun, für wen ich zitt're. 

(Tief bewegt.) 
Er denn Bonello — er denn ſelbſt der Mann, — 
Der, unbekannt und doch ſo allbekannt, 
Verborgen Wunder thut und Segen ſpendet, 
Er — den ich ſelbſt im Stillen oft bewundert — 
Als feines Volkes Heiland ſtumm verehrt —! 
Er — den ich liebe — der mich wieder liebt!! 
So haſt Du recht geahnt, beſorgtes Herz, 
Man wollte dein Geheimniß dir entlocken, 
Nur um den Freund zu tödten —! weh mir! weh! 
Wenn ich vertrauend ſeinem milden Wort, 
Im Glauben, daß er nur Matt eo meine, 
Halb unbewußt im Taumel meines Glücks, 
Bonello's Aufenthalt verrathen hätte! 

(Sie hält plötzlich inne.) 

Mir unbewußt!? Verrieth ich ſo doch ſelbſt, 
Was den Verdacht zur Wahrheit ihm gemacht! 
Mir unbewußt! und droht nicht dieſes noch? 
Wenn meine Angſt, die nun geſteigert iſt, 7 
Wenn ſelbſt mein Schlaf — mein Traum — — ! graufamer Dämon, 
Der ſich mir Vater nennt und mich erdrückt; 

(ſich aufraffend.) 
Ich trotze dir! — Verkaufe meinen Schlaf 


ra 


An deine Knechte, — ich will wachen, — ſchweigen, 
Und käm' der ew'ge Schlaf — der ewig ſtumm! 
(Sie ſinkt auf ein Knie.) 

Du aber — heil'ge Jungfrau, ſchütz' ihn Du, 

Den meine Seele liebt und ſegne Du 

Mein zitternd Schweigen und mein ſtill Gebet! 

(Sie bleibt in betender Stellung.) 

Graf Matteo (als ſpaniſcher Mönch verkleidet, ganz unkenntlich in der Maske, 
tritt von der Seite auf, wo Majo abgegangen, ſieht ſich vorſichtig um und bemerkt 

die knieende Dolores, die er tief bewegt eine kurze Pauſe betrachtet). 


Sechſte Seene. 
Graf Matteo, Dolores. 


Graf Matteo ſ(ſachte zu Dolores tretend). 
Seid Ihr allein, Madonna? 
Dolores (aufftehend, ihn raſch und voll anblickend dann in großer Bewegung 
losbrechend). 
Ah!! Bonello! 
Du biſt es — mußt es ſein! wie blendend Licht 
Fällt's in die Nacht — und in mein Herz! — Matteo!! 
(Sie ſieht ihn begeiſtert liebevoll an.) 
Graf Matteo (ernft und warm). 
Ich bin es — bin der Freund des Volks, den Du 
Genannt — und bin Matteo, der Dich liebt! 
Doch ſage mir, erkennt man mich ſo ſchnell? 
Dolores (fih ihm nähernd). 
Bedecke Deine Augen, theurer Freund, 
Wenn Dich Dolores nicht erkennen ſoll. 
(Sie faßt feine Hand und lehnt ihr Haupt an feine Schulter, zu ihm aufblickend.) 
Die Liebe kennt den Blick! — 
Graf Matteo (einfallend). 
Doch nicht der Haß, 
Da reden dieſe Augen anders, als zu Dir 
Und nicht befürcht' ich — 
Dolores (aufgeſchreckt, die Situation 75 ſſend). 
Heil'ger Gott, was that ich? 
(Mit gepreßter Stimme.) 
Ich nannte einen Namen, der Dich tödtet! 
Ich nahe Dir — und mit mir Dein Verderben! — 
(Zurücktretend.) 
Dein Leben hängt an einem Augenblick. 
(Der Sprache kaum mächtig.) 
Erſt eben ging mein... Vater fort — — ich weiß, 
Man ſucht le er haßt Dich — tödtet Dich — — 
Er ahnt — er weiß, daß Du . biſt! — 


Graf Matteo (aſch dazwiſchen). 
Er wiſſ' es nur! — zu ſpät für ihn — zu ſpät! 
Dolores (in höchſter Angſt). 
Ich ſterbe — trifft man — und — — erkennt man Did. 
Graf Matteo. 
O fürchte nichts, mir drohet nicht Gefahr. 
Ich bin dem Kanzler eben jetzt begegnet 
Und bracht' ihm Brief und Gold aus Spanien. 
Er hält mich ganz für ſeinen rechten Mann, 
Den wir gefangen und das Leben ſchenkten, 
Wenn er uns ſein Geheimniß übergab; 
Das iſt geſcheh'n — und fo getäuſcht, vertraut 
Der Kanzler mir, dem ſpaniſchen Agenten, 
Dem dieſer Ring ſtets freien Zutritt ſichert. 
So athme frei, und fürchte nicht für mich; 
Laß' Deine Seele ausruh'n in der meinen, 
Der Augenblick gehört nur uns allein! 


Dolores (innig und beſchwichtigt). 
Ja, ausruh'n laß' mich Freund an Deiner Bruſt, 
Von all' dem Leid, der Angſt vergang'ner Tage, 
Seit welchen ich Dein Antlitz nicht geſchaut. 
Viel ſeh' ich, wenn ich auch die Augen ſchließe 
Und was die off'nen ſeh'n, bringt Schmerz genug! — 
Noch And'res aber ängſtigt mir den Sinn, 
Und Dir's zu ſagen, ſehnte ſich mein Herz. 
Seit Du mir fern, verfolgt mich ohne Raſt, 
Sichtbar und unſichtbar, ein fremder Mann, 
In deſſen Augen wilde Leidenſchaft, 
In deſſen Worten heiße Liebe brennt; 
Durch Zeichen aller Art verkündet er 
Mir ſeine Nähe — ſein Gefühl, den Wunſch, 
Mich zu beſitzen, an ſein Herz zu reißen. 


Graf Matteo (aufmerkſam). 
Ein fremder Mann? Palermo kennt ihn nicht? 


Dolores. 
Man ſagte mir, er kam aus Corſica. 


Graf Matteo. 

Iſt er der Edlen Einer? 

Dolores. 

Ja, — ſo ſcheint's. 
Sein Weſen iſt voll Hoheit; doch ſie ſchreckt — 
Und wieder feſſelt ſie; — ich zittere, 
Wenn ich ihn ſehe — und ich denk' an ihn 
Ganz willenlos! 


0 


Graf Matteo (nach einer Pauſe der Erregung, fie ruhig anſehend, mild und 
ernſt). 
Was fühlſt Du für ihn, ſag's? 
Dolores. 
Sein todtenbleiches, ſchönes Angeſicht, 
Sein Wort, ſein Thun und ſeine Leidenſchaft 
Erfüllt mein Herz mit uamenloſer Angſt; 
Ich möcht ihn haſſen — doch ich kann es nicht; 
Ein wunderbar Gefühl, das ich nicht faſſe, 
Verwandelt allen Haß in trübes Mitleid, 
Das mir verwehrt, dem Manne weh' zu thun. — 
Da haſt Du Alles, deſſen ich bewußt bin. 
Graf Matteo (eine Bewegung niederkämpfend). 
Nimm meinen Dank für Dein Vertrauen, Kind, 
Ich glaube, dieſen fremden Gaſt zu kennen 
Und ſein Geſchick greift in das unſ're ein. 


Dolores (ihn mißverſtehend, warm). 
Nicht doch, Matteo — 


Graf Matt eo (liebevoll und ernſt). 
Du verſtandſt mich nicht; 

Ich weiß, Dein Herz iſt rein und ſchleierlos, 
O möcht' es auch ſo ſtark und frei, ſo klar 
In jenem Kampfe ſein, den Du noch heut' 
In Deiner Seele durchzukämpfen haſt. 
Nicht um zu koſen — kommt Dein Freund zu Dir. 
Er ſieht in Dir heut' nicht den Reiz des Daſeins, 
Er ſieht in Dir des Lebens tiefſten Ernſt. 
Er tritt zu Dir als ſeines Volkes Freund, 
Nicht mehr der Graf von Syracus, . . .. Bonello, 
Der für ſein Volk noch mehr, als Gut und Blut, 
Der ſelbſt ſein Herz — die Liebe opfern kann. 


Dolores (bebend). 
Die Liebe? — Nein!! 
Graf Matteo. 


So ſag' der Liebe Glück! 

Wir ſteh'n am Abſchnitt einer neuen Zeit, 

An einem Abgrund — d'rüben fruchtbar Land, 
Und wo wir ſtehen, blutgedüngte Wüſte. — 
Nur Kraft der Seele — heil'ger Todesmuth 
Verleiht uns Flügel über dieſe Kluft. — 

Das unerbittlich ſtrenge, heil'ge Schickſal, 

Das Schickſal eines ſchwer gedrückten Volk's 
Greift auch in unſ'rer Liebe Blumenwagen — 
Und Opfer heiſcht es eiſern von uns Beiden! 


— - 


Dolores (mit ſtolzer Empfindung). 

Was Du mir zutrauſt — Mann — das kann ich auch, 
Es iſt mein Werth, Dir Großes nachzufühlen. 
Sind Deine Worte doch wie Tropfen Bluts, 
Die aus Siziliens wundem Herzen fallen. 

Graf Matteo (immer ernfter, fie an der Hand faſſend). 
Das Reich des Böſen muß zu Ende geh'n, 
Doch nicht zermalmend ſoll der Rächer wandeln, 
Das Volk erlöſend mit des Volkes Blut! 
Die Schuldigen allein — die vollgeſog'nen 
Vampyre dieſer Inſel müſſen enden, 
Den Kopf herab der eklen Tyrannei! 

Dolores Guckt mit einem unwillkürlichen Schrei zuſammen). 


Graf Matteo. 
Nennt dieſer Schreckenslaut mir einen Namen, 
Den auszuſprechen Dir der Muth gebricht? 
Mir iſt es Pflicht, zu ſagen, was geſcheh'n muß 
Und meine Worte geh'n wie wilde Roſſe 
Ueber die Leichen der Gefühle hin. — 
Vom Throne, den er nur entehrte, ſtoß' ich 
Den finſt'ren Robert, nur durch Majo's Frechheit 
Zur Schmach Siziliens hinaufgeſetzt; — 
Vom Schauplatz ſeiner unheilvollen Thaten 
Von unſ'rer Inſel, deren Gaſtlichkeit 
Er nur mit Blut der Eingebornen zahlte, 
Verſchwinde Majo — 


Dolores (in tiefſter Erſchütterung). 
O mein Vater! 


Graf Matteo. 
Ja! 
Dein Vater, deſſen Leben ich barmherzig 
Noch heut' in ſeiner Tochter Hände lege. — 
Bered' ihn, warn' ihn, dränge ihn zur Flucht 
Und er ſoll leben fern von dieſer Inſel! — 
Hört er Dich nicht: — erfüllt er ſein Geſchick! — 
Eh' noch der Tag verſinkt, muß ſich's entſcheiden. 
Dolores (ſchaudernd). 
So nahe iſt der Rächer ſchon — nein! nein! 
Graf Matteo. 
Wenn ich ſein heil'ges Amt nicht übernehme, 
So thut's ein Anderer, vor dem Du ſchauderſt, 
Es iſt derſelbe Mann, der Dich verfolgt. 
Dolores. 
Er, deſſen Liebe ſchrecklich wie der Haß? 


| 


= 1 


Graf Matteo. 

Er dürſtet fieberiſch nach Majos Blut, 
Nach Robert's Blut, nach meines Volkes Blut, — 
Und will dem Schatten der entehrten Mutter, 
Des Vaters lichtberaubten, blut'gen Augen 
Ein unerhörtes Todtenopfer bringen! 

(Dolores verhüllt ſich das Geſicht). 
Heut' Nacht mit ſeiner Meute bricht er los, 
Die kein Erbarmen keunt und keine Grenzen. 
Kann ich der wilden Jagd nicht Majos Flucht, 
Den Sturz des Krämerkönigs nicht verkünden: 
So bricht die blutigſte Empörung los; 
Unreines miſcht ſich mit gerechtem Haß 
Und nicht der Löwe ſpringt den Thron hinan, 
Nein — die Hyänen raſen durch das Land! 

Dolores. 

Halt ein! denn was ich denke — tödtet mich! 


Graf Matteo. 

Es ſoll auch nicht geſchehen, was Du denkſt, 
Denn eine and're Sendung — eine heil'ge — 
Ruft mich nun an die Spitze der Bewegung. 
Der Herzog von Apulien iſt nicht todt, 
Er lebt auf meinem feſten Waldſchloß und 
Erwartet dort der Freiheit gold'nen Tag, 
Den meine That ihm und der Inſel bringt, 
Geſchworen hab' ich's ihm auf's heil'ge Kreuz, 
Das Volk zu ſchonen und des Volkes Blut, 
Geſchworen ohne Mord, durch mich allein 
Den Weg zu ſeinem Thron ihm frei zu machen, 
Dem eingebornen Könige ſein Volk, 
Dem Volke ſeinen rechten Herrn zu geben! 
Dies will ich thun — ſo Gott mir gnädig iſt! 

(Mit ſanftem Ernſte zu Dolores.) 
Nun — Engel Du der Milde und der Gnade, 
Entſcheide ſelbſt, ob ich in dieſer Nacht 
Mein Haupt — mein Schwert zur Ruhe legen darf? 


Dolores (mit tieffter Reſignation). 
Geh', Rächer, Deinen Weg! wer hält Dich auf? 
Wenn uns der Aetna grollt und ſeine Lava 
Verſengend über Haus und Felder dampft — 
Wer klagte — und bei wem? es iſt — es muß!! 
Den Vater will ich retten — wenn ich's kann; 
Und daß ich's darf — die Tochter dankt es Dir! 
Bleibt er mir ſtarr — ſtarr meiner letzten Liebe: 

(Abgewendet.) 


So fei fein Todesengel — — — — 
(Das Geſicht verhüllend.) 
Und der — — meinel! 
Graf Matteo (ihre Hand faſſend, mit Nachdruck). 
Um Mitternacht — hier an der Säule — ſoll 
Die rothe Schärpe mir das Zeichen ſein, 
Daß Majo auf der Flucht — daß Du geſiegt! — 
Erſcheint die Schärpe an der Stelle nicht — — 
So ford're ich ihn zum Kampf — zum Todeskampf! — 
Biſt Du bereit — Dolores — ſiehſt Du klar? 
Dolores (fih gewaltſam ermannend). 
Ich faſſe Alles — und ich bin bereit. 
Graf Matteo (tief bewegt). 
So lebe wohl — und rede Gott aus Dir! 
(Er küßt ſie auf die Stirn und geht.) 
Dolores (aufzuckend). 
Leb' wohl — ! — Ich fürcht' auf immerdar! 
(Sie hält ſich mühſam aufrecht.) 
6 Leb' wohl!! 


Der Vorhang fällt. 


Dritter Act. 


In den Gewölben, wie in der Mitte des erſten Aktes. — Gayto, Ruggiero, und viele 

Indere find beſchäftigt, Waffen zurecht zu machen, ſich zu rüſten. Der Mönch Hugo 

eclamirt mit ſtarken Geſten aus einem Pſalmbuch vor ſich hin. Auf den Tiſchen 
ſtehen Weinkrüge). 


Erſte Seene. 


Ruggiero (ein Schwert ſchwingend). 
Nun endlich bricht doch unſer Feſttag an 
Und tauſend Dank dem Teufel, daß er uns 
Dazu mit tüchtiger Geſundheit ſegnet! 
Die iſt 'mal nöthig; was nützt alles Raſen, 
Wenn die Gelenke ſteif ſind und das Fieber 
Oder der Hunger uns entmannt. 
Gayto. 
Der Krug 
Schon wieder leer? Heda! man füll' ihn nochmal! 
(Es geſchieht). 
Das geht wie Feuer in das Blut und gibt 
Uns ſieben Arme, um dareinzuſchlagen. 
(Trinkt.) 
Mir iſt heut' wahrlich heldenhaft zu Muth, 
Ich könnte Wunder thun der Tapferkeit! 
(Bei Seite mit ſelbſtzufriedenem Hohn.) 
Nun freilich hab' ich's eben nicht mehr nöthig! 
Ruggiero. 
(Unmittelbar auf Gayto's vorletzte Worte.) 
Erbärmliches Geſindel das! — Ihr müßt 
So Geiſt als Körper erſt in Wein erſäufen, 
Zur Grauſamkeit und Wolluſt ſtark zu ſein. 
Da ſind wir ſelbſt aus edlerm Stoff; wir brauchen 
Nur unſern Willen — angebor'nen Muth 
Zur blut'gen Unbarmherzigkeit. 
Hugo (der es gehort, ſeine Declamation unterbrechend). 
So — Ihr? 


Ja, Ihr ſeid fo ein Held ganz ſonder Gleichen, 
Doch And're brauchen Wein — gar viele aber 
Das zündende, das pſalmenſtarke Wort; 

Ihr ſeht, wie ich dies fromme Buch ſtudiere, 
Denn unſer Aufſtand hat gar guten Zweck. 


Ruggiero. 
Hol Euch der Teufel mit dem frommen Zweck! 
Ich rühre mich für meine eig'ne Haut; 
Wenn hundert mitgeh'n, fiſcht ſich was im Trüben, 
Der Einzelne, der losbricht, iſt ein Narr. 


Gayto. 
Wie lange iſt's noch bis zur Mitternacht? 
Da in dem Kellerloch gibts keinen Tag 
Und an der Lampe zählt man keine Stunden. 


Hugo. 
Ich rechne meine Zeit nach meinem Büchlein, 
Drei Seiten in den Kopf — braucht eine Stunde, 
So haben wir noch fünf bis Mitternacht. 
Gayto. 
Wir müſſen auf den Poſten ſein — ihr wißt's 
Und etwas, das Ihr nicht wißt, ſag' ich Euch: 
Der Graf bezahlt noch eine and're Bande, 
Die uns bewacht — das heißt wohl überwacht. 
Ruggiero. 

Das Geld, das hätt' er ſich erſparen können! 
Wir haben keine Memme unter uns, 
Die uns verräth: denn Wort zu halten iſt 
Das Einzige, was auch den Schurken groß macht. 

Hugo (reicht ihm gleißneriſch die Hand). 
Ihr ſeid ein Bluthund, Ruggiero, der 
Mein Innerſtes ſehr oft in Schrecken ſetzt; 
Allein ſo treffliche Geſinnung rührt 
Mein Aug' zu Thränen — nun Gott ſegne Euch! 

Gayto (bei Seite). 

Ei! ſpielen die Komödie! warum 
Nicht ich den Mann, der Alle narrt? Ihr träumt 
Von ſchönen Tagen, ſo die Nacht Euch bringt —? 
Ich — ha be ſie bereits in meiner Taſche! 
Ein kluger Kerl zieht gern das Sich're vor. 
Um Mitternacht geht nur auf Eu're Poſten — 
Ich werde früher auf dem meinen ſein! 


Be 


Zweite Scene. 
Vorige. Sangré, bald darauf Graf von Alife. 


Sangré. 


Da geht's ja luſtig zu, rührt ſich das Leben 
Unter der Erde, — über uns iſt's ſtill 
Und todt — die Stadt wie ausgeſtorben; kaum 
Daß einer Wache Schritt die Nacht erweckt. 
Die in der Königsburg ſind ahnungslos 
Und wiegen ſich in ſtolzer Sicherheit! 
Doch ſeht — ſchon naht der Mann, dem wir geſchworen! — 
Graf Alife (tritt ein, man drängt ſich um ihn). 
Alife. 
Nun Männer der Vergeltung und der Rache, 
Stiefkinder dieſer Inſel und des Rechts, 
Die Stunde naht, die Euer Elend ausgleicht 
Und Euch zu Herren von Sizilien macht! 
Seid Ihr bereit, dies Leben voller Schmach — 
Voll Qual und Ingrimm, Hunger, Durſt und Angſt, 
Für ein ganz neues Daſein einzuſetzen? 
Habt Ihr den Todesmuth, der vorwärts treibt, 
Ob tauſend Lanzen oder tauſend Leichen 
Den Weg verſperren, der zum Siege führt? 
Habt Ihr den Muth? 
(Viele Stimmen.) 
Wir ſind bereit! — wir Alle! 
Alife. 
Kommt Einen von Euch noch ein Fröſteln an, 
So tret' er jetzt noch aus dem furchtbar'n Kreiſe 
Und ſchleppe ſeinen Jammer mit ſich fort! 
Armſelg'e Schlucker hindern nur den Sieg. — 
Es rührt ſich Keiner! 
Alle. 
Keiner! 
Alife. 
So iſt's gut! 
Und nun zur Sache, in die Wirklichkeit! 
Sangré! Ihr führt mir Eure tapfre Schaar 
An den Palaſt, wo der Senat den Sitz hat, 
Und ſpart mir nicht Geſchrei und Waffenlärm! 
Das wird des Kanzlers Sölduer dorthin zieh'n 
Und ſeine Macht zertheilen! Ihr Ruggiero, 
Der mir den Teufel ſelbſt gefangen brächte, 


— 86 — 


Seid Führer und Gebieter dieſer Bande, 
Die wie die Schlange kriecht zur Königsburg 
Und in der Gärten Schatten ſich verbirgt; 
Ich ſelber komme ſpäter in das Schloß — 
(Halb in ſich.) 

Denn Gold und Eiſen bahnen alle Pfade; — 
Und wenn Ihr meines Hornes Ton vernehmt, 
Dann werfet Feuer in das Schloß und ſtürmt, 
Die Wachen niedermetzelnd, in das Inn're, 
Dem Flügel zu, wo Kanzler Majo ſchläft. 

(Mit geſteigerter Emphaſe.) 
Wer dieſes Scheuſal lebend oder todt 
Zu meinen Füßen ſchleppt, den will ich lohnen, 
Wie's noch kein König dieſer Welt gethan. 
Doch hafte jeder mir bei ſeinem Schwur, 
Für ein mir theures Leben, für die Tochter 
Des todtgeweihten Vaters! — höret mich: 

(Mit ſchwerem Nachdruck.) 
Wer eine Wimper — ihr ein Haar verſehrt, 
Den laß' ich blenden und in Stücke reißen; — 
Führt Einer unverletzt ſie mir an's Herz, 
Der ſoll der Reichſte dieſer Inſel ſein; 
Beim Schatten meines Vaters ſchwör' ich's Euch. 

(Gemurmel des Muthes und der Ungeduld). 

(Mit behender Wuth). 
Den Träger aber der geſtohl'nen Krone, 
Den Teufel mit dem falſchen Heil'genſchein — 
Den Schänder meiner armen, ſchönen Mutter, 
Der meines Vaters Augen ausgeriſſen — 
Den will ich opfern mit der eig'nen Hand — 
Und jubeln, wenn ſein Blut zum Himmel dampft!! 

(Er hält erſchöpft inne.) 

Gayto (fich wegſtehlend, leiſe und abgewendet). 
Ich weiß nun, was ich noch erfahren wollte; 
Jetzt iſt es Zeit, daß ich mein Amt beginne! 
(Ab.) 
A life. 
Nun — All' an's Werk! (Zu Hugo.) 
Und Ihr, Prophet des Herrn, 

Gießt Euer heilig' Oel in's Feuer und 
Schmückt dieſe Nacht mit ſchönen Namen aus. 
Nun fort — und ſammelt und vereinigt euch, 
Und ſeid bereit, wenn ich das Zeichen gebe. 

(Mit tiefem Ingrimm.) 
Der Rächer ſchreitet aus um Mitternacht — 


= dr — 


Und Haß und Liebe ſollen auf der Wahlſtatt 
Beim Morgengrau'n zu Tod befriedigt ſein!!! 
Alle (im Abgehen durcheinander). 
Zum Kampf! — Zur Rache! — Tod den Tyrannen! 
Er winkt Allen ſtolz und gebietend Entfernung zu und bleibt, in wilde Fantaſie 
verſunken, ſtehen. — Alle ab.) 


Dritte Scene. 


Alife (allein, nach einer Pauſe ſtarr vor ſich hin ſprechend). 


Wie nur erklär' ich's, daß in meinem Blut, 
Das, haßentflammt, mir faſt die Adern ſprengt, 
Doch auch ein Tropfen Liebe rollt?! — Nein! Nein! 
Es iſt nicht Liebe — ſoll nicht Liebe ſein! 
Nenn' es Verlangen — Hunger meiner Sinne, 
Nenn's Grauſamkeit der Wolluſt — nur nicht Liebe; — 
Man ſagt, ſie mache mild — ich bin nicht mild; 
Ja — dies Gefühl, das ich nicht nennen kann, 
Er ſchürt die Glut der Rache, die mich treibt, 
Warum? Warum? 
(Hohnlachend.) 

Weil ſie dich flieht, 

Weil ſie nicht liebt — weil ſie vielleicht Dich haßt! — 
Mich haßt? — Nein! nein! gehaßt fühlt ich mich nicht. 
(Aus tiefer Bruſt.) 

Es lag ihr Blick auf mir mit tiefem Weh, 

Mir war's, als ſähen mich mitleidig an 

Die großen Augen meiner todten Mutter! 
(Er bleibt in ſich verſunken ſtehen.) 


Vierte Seene. 


Graf Matteo (tritt ein, in einen dunklen Mantel gehüllt). Alife. 


Graf Matteo (eintönig ſchwer). 
Graf von Alife! 
Alife (aufgeſchreckt). 
Wer iſt — wer ſchreckt mich auf? 
Graf Matteo (ehr ernſt). 
Der Mann, der nimmer Dich zu ſehen wünſchte, 
Der Mann, der Dich einſt Freund genannt! 
Alife (ihn erkennend, mit ruhigem Ernſte). 
Matteo! 


8 


Graf Matteo. 
Matteo, ja, der in der ernſten Stunde, 
Die Dich und ihn und ganz Sizilien 
Mit ihren dunkeln, ſchweren Folgen heimſucht, 
Ein letztes Wort in deine Seele ſenkt. 
Willſt Du mich hören? 

Alife (ohne ihn anzuſehen.) 

Ich bin Dir nicht gram 

Und ich vergaß nicht, daß wir Freunde waren; 
So rede denn! — Doch koſtbar iſt die Zeit; 
Das ſcheinſt Du ſelbſt zu wiſſen. 


Graf Matteo. 
Ja, ich weiß es! 

(Seine Hand faſſend.) 

Gaufred! Du willſt das Ungeheure thun, 

Was Deine ſchmerzzeriſſ'ne Seele ſchwur, 

Wozu Dich heil'ge Racheengel treiben, 

Wie Du es nennſt — Du willſt, wie Gottes Blitz, 

Herniederfahren auf Sizilien — 

Vernichtend Gut' und Böſes — auch mein Volk!? 
Alife lentſchieden.) 

Ich thu's! — Du ſagſt es — und verwerf' mich Gott, 

Wenn ich dem Schwure untreu werden könnte. 

Ein Grab iſt heilig! meiner Mutter Grab 

Hat meine Flammenworte eingeſogen; 

Ich kann nicht mehr zurück — ich will es nicht! 
Graf Matteo. 

Gaufred! Du kennſt nicht meine Sendung; wiſſe! 

Mich ſelber ruft ein ary mißhandelt' Volk, 

Mich ruft der eingebor'ne König auf, 

Die Unterdrücker in den Staub zu ſchleudern, 

Die jeden Frevel ungeſcheut verübt. 

Bis dahin — Gaufred — geh' ich Deinen Weg; 

Robert und Majo ſind gekerbte Stämme, 

An die der Rächer legen wird die Axt. 

Ihr Fall kann and're Bäume mit ſich reißen, 

Doch ſie zu fällen — haben wir kein Recht. 
Alife (auflodernd). 

Recht? — Rache heißt und iſt das ew'ge Recht: 

Unrecht zu zücht'gen bis in's zehnte Glied. 

Selbſt Gott iſt nur in ſeiner Rache groß, 

Er züchtigt Völker und zermalmt die Welt. 


are 


Matteo (mit feierlicher Erhebung). 
Ja, ſeine Hand zermalmt, ſie ſegnet auch 
Und aus dem Blut — dem großen Allgemeinen 
Geopfert, — wächſt ein neuer Frühling auf, 
Der mit dem Frieden, — mit der Freiheit Blumen 
Die auferſtand'ne neue Welt verjüngt. — 
Du willſt nur tödten — nur zerſtören, Menſch, 
Haſt Du den Willen auch, die Macht — zu ſegneu? 
Alife (in düſterer Aufwallung). 
Wer ſegnet mich? — Mich treibt der Fluch des Lebens, 
Der Dämon meiner Rache durch die Welt, 
Bis ich ihn ſatt getränkt mit Feindesblut 
Die Welt, der Menſch, Gott ſelber, der mich ſchuf, 
Hat kein Erbarmen mit dem Waiſenkind, 
Deſſen Erzeuger man gemartert hat. 
(Pauſe.) 
Ein Schatz von Diamanten, kalt und hart, 
Und wenig Zeilen nur, mit Blut geſchrieben 
Von Vaters Hand — das war und iſt mein Erbtheil. 
„Wenn Du dies lieſeſt, biſt Du mündig, Sohn, 
„Dann räche Deine Mutter, räche mich, 
„Sei's mit dem Blute eines feigen Volkes, — 
„Sizilien ſei unſer Leichenſtein!“ — 
So lautet meines Vaters Teſtament, 
Und was geſcheh'n, — ich ſprech' es nicht mehr aus, — 
Vertraute mir des Hauſes alter Diener. 
Ich landete mit ihm auf dieſer Inſel, 
Die meiner armen Eltern Staub verbirgt, 
Und that den Schwur — zum Himmel that ich ihn, 
Den Du vernahmſt, — an dem Sizilien ſtirbt! 
Graf Matteo. 
Ich faſſe Deinen Schmerz — und theil' ihn auch, 
Und ahnen kann ich, wie im Corſenblut 
Die Flamme heil'ger Rache wüthen muß. — 
Ich will Dir Deine Opfer nicht entziehn, 
Doch gib' mein Volk den Wölfen nicht zur Beute. 
Biſt Du befriedigt, iſt Dein Schmerz geſühnt, 
Und ruhen Deiner armen Eltern Schatten: 
Wenn ich Dir Robert's Kopf und Majo's Kopf 
Noch dieſe Nacht zu Füßen lege?! 
Alife (wild). 
Kein!!! 
Nie gibt ein Korſe feine Rache auf; 
Sie iſt das Ziel — der Inhalt meines Lebens — 
Die Pflicht, die mir die Todten auferlegt. 
Nicht einen Tropfen Bluts, das fließen muß, 


— 0 - 


Erbittet Deine Stimme, die ich liebe, 
Als einen Klang aus froher Kinderzeit. — 

Graf Matteo (nad einer Pauſe; Alife mit wehmüthigem Ernſt anſchauend). 
Aus unſ'rer Knabenzeit! Du denkſt noch ihrer — 
Und doch — Du Sohn, der ſeine Mutter liebte, 
Der noch die Aſche einer Mutter liebt — 

Haft Du vergeſſen .. .., 
Alife (ergriffen, einfallend). 
Woran mahnſt Du mich? 
Graf Matteo l(indeß Alife mit fteigender Bewegung zuhört). 
An jenem Tag, wo wir, zwei friſche Knaben, 
Mit Deiner Mutter gingen in's Gebirg. — 
Du lletterteſt auf Felſen keck hinan, 
Die Adler ſcheuchend über Dir vom Horſt; — 
Ich aber blieb bei Deiner ſchönen Mutter. 
Da trat ſie plötzlich frech ein Räuber an, 
Und forderte die Perlen ihr vom Halſe; — 
Sie — eine Korſin — ſetzte ſich zur Wehr', 
Die ſcharfe Nadel aus den Haaren reißend; — 
Da blitzte jählings des Banditen Dolch 
Mit ei ner wilden Drohung durch die Luft — — 
Ich aber, den er nicht beachten mochte, 
Hatt' auch ein Meſſerlein — und ſtieß es ihm 
Im ſelben Augenblick in ſeine Bruſt. — 
Ich traf ihn gut, — die Mutter war gerettet — — — 
Du ſahſt von oben, was geſchehen war. 
Alife (tiefbewegt). 
Ich ſchloß Dich dann wildweinend in die Arme 
Und ſchwur in meiner Mutter Hände Dir: 
Ich würde Dir's vergelten, wenn ich Mann — — 
Graf Matteo (mit Wärme). 
Nun denn — vergilt' mir! — Eine Bitte nur — 
Die Du erfüllen kannſt — erfüllen darfſt. 
(Alife wendet ſich ab.) 
Graf Matteo (für ſich). 
Wohlan! — nun gilt's nur Einer Stunde Friſt! — 
Vollbring' ich es, ſo ſteht das Volk zu mir, 
Palermo ſchützt ſich ſelbſt vor ſeinen Banden. 
(Laut.) 
Mir iſt Dein Schmerz und Deine Rache heilig. 
Ich reiße Dir das Schwert nicht aus der Hand. 
Nur Eine Stunde feßle noch den Dämon, 
Nur eine Stunde ſchenke mir, dem Volke, 
Das mir vertraut, das leidet, ſo wie Du; — 
Und — Deine Rache habe ihren Lauf, 
Wenn Du noch Opfer willſt — auch dann noch willſt, 


AU; 


Wenn wir die Schuldigen geopfert haben! 
(Sehr ernſt und tief aus der Seele.) 
Bei jenem Tag aus unſ'rer Knabenzeit, 
Nicht for dern will ich, daß Du mir vergiltſt — 
(Er ſinkt auf ein Knie.) 
Auf meinen Knie'n — vor Niemand kniet' ich noch — 
Beſchwör' ich Dich im Namen Deiner Mutter —: 
Nur Einer Stunde Friſt — gib meinem Volke! 
Alife (tief erſchüttert, halb in ſich). 
Ich denk' der Kinderzeit und — meiner Mutter! — 
Da quillt's im Herzen — (Sich gewaltſam überwindend.) 
(Zu Matteo.) Eine Stunde! — geh! — 


(Graf Matteo ſchließt ihn an die Bruſt; Beide gehen raſch zu verſchiedenen 
Seiten ab.) 


Verwandlung. 


Fünfte Scene. 


ekoration wie im zweiten Akte. Es iſt Nacht; von Außen Mondlicht. Der Saal 
iſt durch eine rothe Lampe erleuchtet.) 


dus der Thür rechts tritt Majo, ihm folgt Gayto, hinter welchem 
Sandoval kommt, der an der Thür zunächſt ſtehen bleibt.) 


Majo zu Gayto). 
Sprachſt Du die Wahrheit, wird man Dich belohnen, 
Betrogſt Du mich, ſo gilt es Deinen Kopf; 
Für Beides bürgt der Name Majo Dir. 
Gayto. 
Das weiß ich; deßhalb wandt' ich mich an Euch, 
Der auch die Macht hat, Wort zu halten; ich 
Bin ſtets bereit, dem Vaterland zu dienen. 
Majo (ihn verächtlich meſſend). 
Beſonders, wenn es beſſer zahlt, als jene, 
Die Du verräthſt. — (Da Gayto reden will.) 
Antworte mir nicht, Menſch, 
Was Du mir ſagen willſt, das weiß ich ja, 
Nur was ich nicht weiß, mußt Du mir enthüllen. 
Die Seele der Verſchwörung ſei nur Er, 
So ſagteſt Du, er zahle ſeine Banden 
Und laſſe ſich Graf von Alife ſchelten. 
Weißt Du gewiß, daß dies ſein Name iſt? 
Gayto. 
So nennt man ihn; das heißt, wir nennen ihn 
Mit dieſem Namen, die er werben ließ, 
Durch einen Franzmann, der Sangré ſich nennt. 
4 * 


Majo (halb in jid). 

Da hat er wohl noch einen andern Namen, 
Der mir nicht fremd iſt; ja — Bonello iſt's 
Und muß es ſein; wir halten das Phantom. 

(Zu Gayto.) 
Alſo um Mitternacht begibt er ſich . . .. 
Er ſelbſt . . . in dieſe Königsburg? — (Für ſich.) Das klingt 
Den Märchen gleich, die man von ihm erzählt. 

(Zu Gayto, höhnend.) 
Er geht wohl unſichtbar durch jede Thür? 
Gayto (mit boshafter Betonung). 

Es ſcheint, daß er dies kann; er ſprach ſehr ſicher, 
Und erſt, wenn hier ſein Horn ertönt, dann ſtürmt 
Die wilde Schaar, die drunten ſich verbirgt, 
Hinauf in's Schloß — (Mit Sarkasmus.) 

Das And're könnt' Ihr ahnen! 

Majo (mit finſterem Triumphe, halb für ſich). 
Sein Horn gibt das Signal? recht gut, vortrefflich! 
Er ſtelle ſich hier ein — ganz ungehindert — 
Und rufe fie! — antworten werden wir! 
(Zu Sandoval, den er näher winkt) 

Wie weit iſt's an der Zeit? 

Sandoval. 

Schon ziemlich nah' 


Majo. 
So bleibt uns volle Friſt, 
Nach jeder Richtung unſer Wort zu ſchicken. 

(Er ſagt Sandoval mehrere Befehle in's Ohr, dann zu Gayto.) 
Nun Burſche, wenn Du wahr berichtet haſt, 
Vergold' ich Deine Tage; dieſer Mann 

(auf Sandoval zeigend) 
Bewirthet Dich indeß. (Er winkt ihm Entfernung zu.) 
(Zu Sandoval leiſe, doch nachdrucksvoll.) 
Trifft das nicht ein, 
Was er geſagt — (mit Pantomime) 
ſo macht es kurz mit ihm! 
(Sandoval mit Gayto ab.) 


An Mitternacht. 


Sechste Seene. 


Majo, gleich darauf Dolores. 


Majo, (allein, triumphirend). 
Dem Teufel Ehre, wenn es einen gibt, 
Er ordnet Alles trefflich dieſe Nacht. 


er ee 


Bonello kommt von ſelbſt — das wollt' ich ja! 
Er wird ſo Opfer mir als Werkzeug ſein, 
Und Majo bleibt, wenn ohne Haupt das Volk, 
Zuletzt der Sieger und — Siziliens Herr! 
n ſelben Angenblick, als Majo in die inneren Gemächer abgehen will, ſtürzt 
Dolores heraus, von Unruhe und ſteigender Angſt ergriffen.) 
Dolores (in großer Aufregung). 
Ich find' Euch endlich, bleibt und höret mich! 
Majo (ſcharf und kalt). 
Laß mich! — Die Stunde rennt; der Augenblick, 
Den Du mir raubſt, iſt unerſetzbar. Geh!! 
Dolores. 
Ja — unerſetzbar — folgenſchwer, d'rum hört mich! — 
Um Euretwillen bleibt und hört mich an! 
Ihr ſchwebt in tödtlicher Gefahr . . .. 
Majo (ſcharf einfallend). 
ö Das weißt Du? — 
Ei ſieh, woher denn weißt Du das? 
Dolores. 
O fragt nicht, 
Und dankt dem Himmel, daß ich Kenntniß habe, 
Daß Euer Haupt bedroht ift dieſe Nacht . . .. 
Majo (mit Sarkasmus). 
Mein Haupt — in dieſer Nacht! bedroht — von ihm, 
Der ſeine Buhlerin Dich nennt! — wie kindlich, 
Daß Du, wohl ſpät, dem Vater, das geſtehſt! 
So denkſt Du, biſt Du ihm und mir gerecht. 
Dolores. 
O ſpottet nicht — zerreißt mir nicht das Herz, 
Ich rede aus der Tiefe meiner Seele. 
Es iſt noch nicht zu ſpät — d'rum ſucht' ich Euch, 
D'rum warn' ich Euch (mit entſchiedenem Tone.) 
Und ruf' Euch zu: Entflieht! 
Majo (mit Hohngelächter). 
Entflieh'n? Hat Liebe Dich verrückt gemacht, 
Daß Du mir ſolches Wort zu bieten wagſt? 
Entflieh'n! Der Mann, der dies Sizilien 
In ſeiner Hand zerdrückt, wenn's ihm beliebt, 
Soll flieh'n, um Deinem Buhlen Platz zu machen? 
Schlaf' Deinen Wahnſinn aus — und laß' mich!! Geh'!! 
Dolores (ſich ihm entgegenſtellend und feine Hand feſthaltend). 
Ihr dürft nicht mehr zurück — die Stunde rennt, 
Ihr ſagt es ſelbſt — benützt ſie und entflieht. 
Ich ſelber werde Eure Flucht bewachen, 
Dies ſchwör' ich Euch — beim ewigen Gott! — Entflieht! 


usa —__ 


Majo (mit Hohn). 
Mich willſt Du retten? hat er Dir's erlaubt, 
Der nach Dem Blute Deines Vaters lechzt? 
Das wäre Großmuth, die an Narrheit grenzt. 
Dolores (in ſteigender Aufwallung). 
Das iſt die Größe, die Ihr nicht begreift, 
Weil Ihr, zu klein, ſie ſelber nie geübt. 
Ja denn, Matteo gab's in meine Hand, 
Euch, eh' der Todesengel um Euch rauſcht, 
Zu warnen und zur Flucht den Weg zu bahnen. 
Er fordert nur, daß Ihr das Land verlaßt, 
Das Ihr und Euer König ausgeſogen, 
Und deſſen Volk Ihr faſt zertreten habt. 
Majo (wild, auf Dolores deutend). 
Ziſcht meine Schlange auch ſchon dieſes Lied? 
Dolores (in Begeifterung). 
Ja denn — ich werfe dieſes Rachelied, 
Das tauſend ſchwerverletzte Menſchen ſtammeln, 
Auch in die aus gebrannte Vaterbruſt. 
Vernehmt die Stimme, die Euch Sühnung zuruft, 
Und Euch die Binde von den Augen reißt. 
Ihr ſeid ſo ſicher nicht, als Ihr vermeint, 
Die Erde lockert ſich, die Euch verſchlingt, 
Und Eurer Herrſchaft Stunden ſind gezählt. 
Flieht heim — da Ihr's noch könnt, nach Spanien, 
Da noch das Blut in Euren Adern rollt, 
Und Euch noch Friſt zur Reu' und Buße bleibt, — 
Entflieht — eh' Euer Leben grollend flieht 
Und Euren Geiſt die Furien erfaſſen, 
Die, keine blutbefleckte Seele ſchonend, 
Im Tod ſie werfen auf die Marterbank! — 
Der Sand verinnt — der Rächer iſt nicht fern, 
Laßt Euer Haupt mich — Eure Seele retten — 
Und zaudert keinen Augenblick — entflieht! 
Majo ſ(ſich ſtolz aufrichtend). 
Dein Wort — Dein Thun beſtätigt, was ich weiß, 
Und was ich wußte, eh' Du noch geſprochen. 
Du kommſt zu ſpät! — mein Warner war ſchon da, 
Und was geſcheh'n ſoll, findet uns bereit. 
(Mit dämoniſcher Grauſamkeit.) 
Die Mitternackt iſt da — ich zitt're nicht — 
Du aber ſieh' Dich vor, daß Du am Morgen .... 
Nicht eine Leiche findeſt ohne Haupt!! 
(Er geht finſterdrohend an ihr vorüber in ſeine Gemächer.) 
Dolores (unmittelbar auf ſeine letzten Worte ſich das Geſicht verhüllend). 
O heil'ge Jungfrau! — halte — halte mich! 


. 


Siebente Scene. 
Dolores (allein), 


Dolores (aus ihrer Erſchütterung aufſchreckend, in höchſter Aufregung). 
Was nun beginnen? was nun darf ich? — muß ich? 
Weh! Dieſe Fragen reißen mir am Herzen 
Und jede Antwort trägt den Tod. — Mein Gott! 

(Sie kniet nieder.) 
Der Du allein der Geiſt biſt über Allen, 
Der die Empfindung richtet, wie die That — 
Erfülle Du mit Deinem Licht die Seele, 
Daß ſie das Rechte jetzt erkenn' und übe, — 
Oder verſtoße ſie in Todesnacht, 
Damit ſie nichts mehr wiſſe, nichts mehr fühle! 
(Sie ſteht, aufhorchend und aufgeſchreckt auf.) 
Was rauſcht dort? — nein! es iſt ja todtenſtill — 
Wie angefeſſelt ſchwer liegt ſelbſt das Mondlicht 
Auf dieſen Mauern und auf meiner Seele. 
(Immer ängſtlicher; die Uhr der Kathedrale ſchlägt eins.) 
Die Mitternacht iſt nun vorüber — jede 
Miuute drängt mich der Entſcheidung zu. — 
Ich ſoll entſcheiden!? — ich, in welchem Kampf'? 
Soll ich die Schärpe an die Säule heften 
Und ſo ihm ſagen, daß mein Vater flüchtet? 
Ich rette Majo — und betrüge ihn, 
Ihn, der die Seele meiner Seele iſt ..... 
Und thu' ich's nicht — ſieht er das Zeichen nicht, 
So kommt der Rächer ja, weil ich's nicht wehre 
Und meine Wahrheit iſt des Vaters Tod; — 
Und meinen Vater nennt ihn ja die Welt. 
(Tief ergriffen). 

Des Vaters Tod — der Tod auch meines Herzens! 
Denn fällt er durch Matteo's Rächerhand; 
Sind wir getrennt für immerdar auf Erden, 
Und keine Hoffnung — keine Sühnung mehr! 

(Sich im Geiſte emporrichtend.) 
Doch — lebt und blüht Sizilien dann nicht auf? 
Aus Majo's Blute keimt die neue Zeit, 
Das Wohl von Tauſenden, die jetzt verderben; 
Und er — Matteo — wenn der Rächer auch, 
Wird ſeines Volkes Heiland und ſein Segen! 

(Immer mehr in edler Wallung.) 
Darf ich des ſchuldbelad'nen Vaters Leben, 
Darf ich der Liebe heißerſehntes Glück 


— ie 


Mit einer Lüg' erkaufen, einer Lüge, 

Die ihn, den Retter ſeines Volk's verhöhnt, 

Und dieſes Volk in ſeine Nacht verſtoßt? — 

(Mit Begeiſterung.) 

Nein! dreimal nein! — ſo richte Gott dort d'roben — 

Ich hab' gethan, ſo viel ein Weib vermochte, 

Er ſtieß die dringend Warnende von ſich, — — 

Tödtet die Wahrheit: — nun denn — tödte ſie! 

Sie iſt des Himmels, — tödte ſie auch mich! 

Kein Zeichen geb' ich! — lügen kann ich nicht! 
(Sie geht raſch in ihre Gemächer. Pauſe.) 


Achte Scene. 


Majo (tritt auf von der Seite, wo er abgegangen, gleich darauf) Graf Mattes 
(in der Mönchstracht vom zweiten Akte.) 


Majo. 
Das Netz iſt ausgeſpannt — er ſtürzt hinein 
Und hundert Hände ziehen es zuſammen. — 
Jetzt kann — jetzt muß es ſein, die Zeit iſt um, 
Eh noch Bonello kommt, muß ich's vollbringen; 
Und iſt's vollbracht, glaubt jeder kluge Mann: 
Bonello's Dolch hat Robert kalt gemacht. 
(Einen Dolch erhebend.) 
Nun, ſpitzes Eiſen, das der Burſche trug. 
Der ihn verrieth und mich vielleicht getödtet, 
Wenn's anders kam — nun, Eiſen, fahre tief — 
Der König ſchläft — und ſoll nicht mehr erwachen! 
(Er geht langſam ſchleichend der Thür gegenüber zu, im ſlben Augenblick tritt 
Graf Matteo von rückwärts herein.) 
Graf Matteo Majo gewahrend und erkennend, anfangs für ſich.) 
Er iſt's! Das Wild läuft ſelbſt mir in den Speer! 
(Laut zu Majo.) 
Halt! keinen Schritt von hier — und ſteh' mir Rede! 
Majo (ihn noch nicht erkennend, durch die Maske getäuſcht). 
Was willſt Du mit dem Tone, Landsmann? ich 
Bin Kanzler Majo — kennſt Du mich nicht mehr? 
Graf Matteo (losbrechend, mit furchtbarem Ernſte). 
Ja, Majo biſt Du, den das Volk verflucht, 
Der, ſelbſt Tyrann, es dem Tyrannen opfernd, 
Den angeſtammten König tödten wollte. — 
Ja — Majo biſt Du, — biſt das Ungeheuer, 
Das ſich vom Blut Siziliens genährt! 


= 


(Er wirft das Mönchskleid ab und zieht das Schwert.) 
Ich bin Bonello, bin des Volkes Rächer! 
Bereite Dich zum Todeskampf — zum Tod! 


Majo (fi faſſend und mit Hohn). 
Bonello biſt Du — nun, ich konnt' es wiſſen, 
Du ſchickteſt, klug und unklug, Deinen Herold 
Uns vorbereitend, in die Königsburg. 
Du kommſt wohl nicht allein — und Deine Bande 
Harrt auf das Zeichen, um hereinzubrechen; — 
Willſt Du den Kampf — ſo biſt Du nicht ſo thöricht, 
Den Rücken nicht zu decken! Gib Dein Zeichen, 

(Dämoniſch.) 

Wir wollen Zeugen haben unſers Kampfs. 


Graf Matteo (aufgeregt, wild). 
Mein Zeug' iſt Gott — der Teufel wohl der Deine! 
Spar' Deine Worte, Deine Zeit iſt aus, 
Denn dieſe Nacht gebiert den neuen Tag, 
Den Du nicht ſehen wirſt — ſo Gott mir gnädig! 
Vertheid'ge Dich — ſonſt ſtoß' ich Dir das Schwert 
Im Namen meines Volkes in das Herz. 
jo (irre und erſchüttert zieht das Schwert, zu Graf Matteo, ſtark, doch angſt⸗ 
gepreßt). 
Unſinniger — ein Ruf von mir — Du ſtirbſt . . .. 
(Er zieht ſich gegen die Pforte zurück.) 
Graf Matteo (vordringend). 
Eh’ ſtirbt Dein Ruf — Tyrann! Deckſt Du Dich nicht, 
So war's Dein letztes Wort! Vertheid'ge Dich! 
Majo (das Schwert vorſtreckend und in die Pforte zurückweichend). 
So folge mir! — nicht hier — der Kampf entheiligt 
Die Königsburg — 
Graf Matteo (fa). 
Sie iſt entheiligt! — nur 
Das Blut der Sünder wäſcht ſie wieder rein. 
Kämpf' um Dein Leben — 
(Sie kämpfen bart unter der Pforte.) 
Majo (erhitzt ausholend und auf Matteo vordringend). 
Schütz' das Deine! — Dal! 
Sie kämpfen, Majo fällt und ſinkt nach rückwärts zu Boden in die Pforte.) 
Majo (im Sterben). 
Dolores — die Prophetin . . . . fie ſprach .. . wahr! — 
(Er ſtirbt.) 
Graf Matteo (über ihn gebeugt). 
Er ſtirbt! — Sizilien, nimm dieſes Opfer, 
Und nimm' das reine, das mein Herz Dir bringt; 


Eu 


In dieſem Blute ſtirbt das Glück der Liebe! 
r rafft ſich auf, läßt den Vorhang der Pforte herab, ſo, daß Majo's Leiche kaum 
ſichtbar ift.) 
Nun zu dem Manne, der ſich König nennt, 
Halb iſt das Werk gethan — der ſchwerſte Theil — 
Hier half die Hand — dort ſoll die Seele helfen! 
(Er will gegen den Hintergrund ab, ihm entgegen eilt Dolores aus ihren Gemächern.) 


Neunte Seene. 


Dolores. Graf Matteo, dann Graf von Alife. 


Dolores (im Tone des Schreckens und der Freude). 
Matteo!! — Du!? Ich athme noch? — Du lebſt! 
Ich weiß nichts mehr, als daß ich Dich umfaſſe — — 
O halte — ſchütze mich an Deiner Bruſt! 
(Alife tritt ein. Dolores ſinkt erſchöpft Graf Matteo an's Herz, ihn mit beiden 
Armen umklammernd. Alife tritt entflammt zurück.) 
Graf Matteo (für ſich hin, dann zum Himmel blickend). 
Du armes, großes Herz! — — Es wäre Mord, 
In dieſem Augenblicke ihr zu ſagen, 
Daß meine Hand — o Mutter Du, der Gnaden, 
Deck' meine That noch mit dem Schleier zu! 
(Er legt die Hand auf ihr Haupt; in demſelben Augenblick tritt Alife vor.) 
Alife (mit ſchneidender Stimme und kaum gefeſſelter Wuth zu Matteo). 
Dies jener Stunde Frucht, die ich Dir ſchenkte? — 
Dies Dein Erbarmen für Dein armes Volk? — 
Dies Deiner heil'gen Freundſchaft letzter Reſt? — 
(Fanatiſch.) 

Pfui — aller Menſchheit! — treulos denn auch Du!! 
Dolores (zuſammenſchaudernd in ein Knie ſinkend und ihr Haupt in Matteo's 
Hand verbergend). 

Er iſt's, von dem ich ſprach, — vor dem wir ſchaudern! 
Graf Matteo (faft zugleich mit Dolores zu Alife). 

Halt ein! — und richte nicht, eh' Du gehört . . .. 
Alife (ämmer mehr raſend). 

Ich will nichts hören, wo die Augen ſeh'n, 

Was mir das Blut zum Herzen branden macht. 

Ich richte nicht, ich ftrafe, was ich ſeh', 

Und komme, meinen Racheſchwur zu löſen; 

Die Friſt iſt um — ich komme nicht zu ſpät, 

Und Haß und Liebe fordern ihre Opfer! 

Dies Weib iſt mein — berühr' es fürder nicht — 

Das einz'ge Weſen iſt's auf dieſer Erde, 

Das ich nicht haſſe, — das mir leben ſoll, 


ir Eee 


Des Löwen Spiel — des Löwen Luſt zu fein, 

Wenn er die Wüſte todt und ſtumm gemacht. 
Graf Matteo (mit hohem Ernſt und Würde). 

Treibt Deinen Geiſt das Blut im wirren Bar 

So hab' ich keine Antwort jetzt für Dich. 

Frag' dieſe ſelbſt, die zitternd hier geh, 

Mit würd'gen Worten, die ſie nicht verletzen, — 

Ob ſie für Dich fühlt — und Dir folgen will; — 

Sie ſag' es frei — iſt frei von jedem Zwang! 

(Er löſt ſeine Hand von Dolores und erhebt die Knieende.) 
Der Mann iſt krank an Haß — und krank durch Liebe, 
Und er verdienet ſo ein off'nes Wort; 

So ſag' ihm, was Du fühlſt — und rede mild! 
Dolores (ſucht ihre Augen auf Alife zu heſten, ſchrickt aber zuſammen; ſieht 
ihn aber dann wehmüthig an). 

Ich haß' Euch nicht — doch lieb' ich dieſen Mann, 
Der mir mein Alles iſt auf dieſer Erde; 

So iſt's wohl gut, wenn wir uns nie mehr ſeh'n! 
(Sie ergreift Matteo's Hand und wendet fi zum Gehen.) 
Alife (wild auflodernd). 

Ihm Leib und Seele!!? mich verwirfſt Du, Weib? 

Du — von dem Blut des Elenden, des Schurken, 

Der Mutter mir und Vater einſt entriß — 

Du giltſt mir jetzt nur mehr der Münze gleich, 

Die Deines Vaters Menſchenhandel zahlt! 

(Mit geſteigerter Leidenſchaft.) 
Zu mir!! — Du lebſt mir, — und er ſtirbt durch mich! 
Für meine Mutter — biſt das Opfer — Du!! 
(Er will ſie faſſen, Dolores ſieht ihm ſtarr und wehmüthig bittend in's Angeſicht.) 

Graf Matteo (mit Majeſtät, abwehrend dazwiſchentretend). 

Aus ihrem Grabe ruft Dir zu die Mutter: 

Berühr' dies Kind nicht, das durch Unglück heilig! 

Ich ſchütze es — — und ſchütze Dich — vor Schmach! 
(Er führt Dolores ab, finſter und groß nach Alife zurückblickend). 

Alife (plötzlich wie gebrochen und im Innerſten vernichtet). 
Ja, meine Mutter ſah aus ihren Augen, 

And die Begierde ſtarb an dieſem Blick! 

(Er richtet ſich allmälig wieder auf). 
Nun denn — die letzte Faſer riß, die mich 
Gekettet an ein Herz auf dieſer Erde! 
Verſink' denn, Liebe, wenn Du Liebe warſt 
Und mahne nicht mehr! — plötzlich wild). 

Rache, heb' Dein Haupt 
Und ſchüttle Deine blut'gen Locken wieder! — 
Geſellen! treue Hunde! eilt herbei! 
Bald graut der Tag! — und Alles iſt vorüber! 
(Er ſtößt in's Horn.) 


— 60 — 
Zehnte Scene. 


Alif e. (Im ſelben Augenblicke erſcheinen von rückwärts auf beiden Seiten die Leib⸗ 
garden Robert's und Majo's mit Sandoval an der Spitze mit Hellebarden, die 
Bühne ſchließend.) 


Alife (in höchſter Befremdung). 
Ha! was iſt das?! wo bleiben meine Leute? 
Sandoval. 
Ihr rieft ſie alſo? — und Ihr ſeid Ihr Haupt? 
A life (ſtolz). 
Das bin ich! — Aber wo bleibt meine Schaar? 
Sandoval (kalt). 
Sie iſt gefangen — ſo wie Ihr es ſeid! 
Alife (mit wilder Verachtung auflodernd). 
Verrath!? — 
(Mit kalter Reſignation.) 

’ Da — weil ich machtlos — nehmt mein Schwert! 
Sandoval (hat, den Degen empfangend und zur Seite tretend, Majo's Leiche 
bemerkt; entſetzt). 

Was ſeh' ich hier!? — Graf Majo — blutend — todt!! 
Alife (feinen Blick nach Majo werfend, mit wildem Triumphe.) 
Er hielt mir Wort! — 
(Mit finſterer Reſignation.) 
Das Racheſchwert iſt ſein! 

Sandoval (Alife fixirend, ihn hart faſſend). 
Dein Antlitz, Menſch, verkündet Deine That! 

Alife (mit dämoniſcher Ironie, ſtark betonend). 
Ich bin gekommen, ihn zu tödten — ja! 

(Aus tiefſter Bruft.) 
Der Gott der Rache, dem ich opfern wollte, 
Wie Keiner noch auf Erden es gethan, 
Hat mich verworfen! — Haß und Liebe aus — 
Verſchüttet ganz der Inhalt meines Lebens! — 
Der Reſt iſt — Tod! — 
(Nach einer kurzen Pauſe, raſch, warm und entſchieden.) 
Doch er — ſoll glücklich ſein! 
(Finſter und gebieteriſch zu den harrenden Bewaffneten.) 
Thut Eure Pflicht! — Graf Majo fiel — durch mich! 
(Er tritt in die Mitte der Bewaffneten und geht von ihnen gefolgt.) 


Der Vorhang fällt. 


Vierter Act. 


(Offene Säulenhalle und Terraſſe auf Graf Matteo's Waldſchloß mit der Ausſicht 

auf die Umgegend und das ferne Meer. — Dolores, in ſchwarzem Kleide, lehnt an 

einer Säule, die Hand über die Augen, hinabſehend. Romana, Matteo's Schweſter, 
ſteht ihr nahe, doch unterhalb der Stufen.) 


Erſte Seene. 
(Dolores, Romana.) 


Dolores. 
So weit das Auge reicht, noch keine Spur 
Nicht einer Reiterſchaar — nicht eines Reiters, 
Der auf dies Waldſchloß ſeine Richtung nimmt. 
Es iſt der dritte Tag — er bleibt uns fern. 


Romana. 
Er kommt gewiß — in dieſer Stunde noch; 
Ich kenne meinen Bruder — und ſein Thun, 


Das uns mit voller Sicherheit erfüllt. — 

Wenn Ihr auch Niemand auf dem Wege ſeht, 

Er . . . . findet ſchon den feinen in das Schloß, 

So ungekannt — als oft auch ungeſeh'n. 

Ich bitt' Euch, edle Donna, kommt herab; 

Was man zu heiß mit Ungeduld erwartet, 

Kommt ſelten gleich und ſo, wie wir's gedacht. 

Dolores (herabkommend). 

Ihr ſprecht ein wahres Wort, ich will Euch folgen 

Und folge gern, weil Ihr ſo gütig ſeid, 

So liebevoll und ich — ich bin Euch fremd. 
Romana (offen und entſchieden.) 

O! die mein Bruder liebt, ſind mir nicht fremd; 

(ihr die Hand reichend, innig und lebhaft.) 

Ich liebte Euch, weil Euch mein Bruder liebt. 

Nun adelt Euch das Unglück; mir ſteht's zu, 

Euch um Vertrau'n — um Liebe Euch zu bitten. 
Dolores ſcchließt fie an's Herz). 

Da — bau Dich ein — Du lieblich Schweſterherz! 


Romana. 
Nun aber. Seele, die Matteo liebt, 
Nun mußt Du auch der Schweſter Dich erſchließen, 
Und mir verkünden, wie in jener Nacht 
Der Todesengel durch Palermo ging. — 
Ihr kamt allein — von wenigen Getreuen 
Matteo's hergeleitet in ſein Schloß, 
Und wurdet meiner Sorge warm empfohlen. 
Ihr ward erſchüttert — ſchreckenskrank — und ſtumm. 
Matteo ſelber aber blieb uns fern; 
Nun Ihr gefaßter ſeid — erzählet mir! 

Dolores (immer bewegter und gepreßter). 

Matteo harrte auf das Zeichen, das 
Ihm Majo's Flucht durch mich verkünden ſollte — 
Ich konnt' es nicht — ich gab das Zeichen nicht, 
Ihn zu belügen ſträubte ſich die Seele; 
Ich gab mein Herz zum Opfer jener Nacht. — 
In ſtummer Angſt verging die nächſte Stunde, 
Ich wußte nicht, was dann zunächſt geſcheh'n; 
In feinen Armen wacht' ich wieder auf —! 
Da trat ein finſt'rer Schatten zwiſchen uns — 
Ein bleicher Gaſt — von Haß und Liebe toll — 
Matteo kannte ihn — den Mann der Rache, 
Der, um zu tödten — zu verderben kam; — — 
Da zog ich mich zurück — Matteo aber 
Verließ mich gleich darauf und rief mir zu, 
Er würde ſichtbar oder unſichtbar 
Mich ſchützen — retten, was auch noch geſcheh'. — 
Da ward's im Schloſſe laut — von Waffen klirrte 
Der Eſtrich, vom Geſchrei die Hallen da und dort, 
Und mitten aus dem Toben klang der Ruf: 
„Der Admiral — Graf Majo — liegt im Blut, — 
Ein Graf Alife — habe ihn ermordet.“ 
Vor Schrecken taumelnd will ich fort — da treten 
Drei edle Männer ritterlich mich an, 
Und bitten mich im Namen Eures Bruders 
Ihnen zu folgen ohne Aufenthalt. 

(Erſchöpft.) 
Ich wankte fort — halb willenlos und krank 
Von all' dem Schrecken jener Nacht — und wachte 
In dieſem Schloſſe auf von ſchwerem Traum! — — 


Da habt Ihr Alles — was ich — — ſelber weiß. 
(Sie ſenkt ihr Haupt auf Romana's Schulter.) 
Romana. 


Du armes, tiefgebeugtes, armes Herz! 
Und doch hat Euch des Himmels ew'ger Rathſchluß 


Das Bitterſte, das Furchtbarſte erſpart. 
War Majo — Euer Vater nicht zu retten, 
So preiſet Gott, daß nicht Matteo's Hand 
Des längſt vervehmten Vaters Blut vergoß; — 
Ihr ahnt und fühlt — was ich zu ſagen ſcheue. 
Dolores (ſchaudernd ihr Geſicht am Buſen Romanas verbergend). 
O — ſagt es nicht —! ich wag' es nicht zu denken, 
Die Seele ſtirbt, wenn ſie das ausgedacht! — — 
(Der Ton eines Hornes iſt vernehmbar.) 
Romana. 

Dies iſt das Zeichen daß Matteo kommt, 
Nun alle Schrecken fort — es naht der Tag! 

(Sie tritt raſch auf die Stufen und ſieht hinab.) 
Er kommt wahrhaftig nicht allein: ich ſeh' 
Die treuſten Freunde heut' um ihn geſchaart, 
Von allen Seiten ſtrömen ſie herbei. 

Dolores (fi faſſend, würdig). 
Da muß ſich meine Sehnſucht noch gedulden, 
Sizilien erſt voran — dann meine Liebe! 
(Sie gehen Hand in Hand ab.) 


Zweite Scene, 


(Von der einen Seite tritt Graf Matt eo auf, von der andern und mit ihm: 
Simon von Policaſtro, Bo&mond von Tarſo, Richard 
von Mandra und viele Edle Siziliens). 


Graf Matteo (fie begrüßend und das Haupt entblößend, ernſt und feierlich). 
Ich grüß' Euch Alle, die, von Nah' und Fern, 
Auf meinen Ruf, zur Stunde wieder kommen 
Und Kunde bringen und empfangen wollen. — 
Viel iſt geſcheh'n, ſeitdem wir uns getrennt, 
Und jeder von uns that gewiß das Seine. 
Wir ſteh'n inmitten der Bewegung heut', 
Und ſtille ſtehen, hieße rückwärts ſchreiten. — 
Darum berief ich Euch, um feſtzuſtellen, 
Was noch — und was zu nächſt geſchehen ſoll. 

Alle. 


Wir ſteh'n zu Dir! — das Leben für Roger! 
Graf Matteo. 

Wie brennt die Flamme in Calabrien — 7 

Apulien's Söhne hab' ich ſelbſt geprüft; 

Wer ſagt mir, wie's nun in Palermo ſteht. 

Simon. 

Calabrien iſt gerüſtet, Mann an Mann 

Und harret nur des Rufes ſeines Königs, 

Um in Palermo ſeinen Thron zu ſchützen. © 


Bosmond. 
Das Volk am Strand des Meer's — in allen Häfen, 
Es jubelte wie ſiegestrunken ſchon, 
Als ich verkündet, daß Ihr König lebt! 


Richard. 
Palermo aber rührt und regt ſich nicht, 
Von Robert's Eiſenarmen noch umſchlungen; 
Wohl fuhr die Nachricht von dem Tode Majo's 
Wie eine Flammenſchlange durch die Stadt, 
Entzündend die Gemüther und die Hoffnung, 
Daß nun die lange Nacht zu Ende ſei. — 
Da ſendet Robert ſeine Henker aus — 
Schüttelt die geile Trägheit aus den Gliedern 
Und tritt das Erbe ſeines Kanzlers an — 
Ihr wißt zu gut — was das bedeuten ſoll. 


Graf Matteo. 
Wen aber nennt man in der Koͤnigsburg 
Als jenen, der den Admiral ge:ödtet? 


Richard. 

Das Volk nennt Euch; — doch in der Königsburg 
Quält man ſich noch mit einem andern Namen 
In jener Nacht, wo Majo fiel, hat man 
Wohl über hundert wild- und wüſte Kerle 
Hart am Palaſt — ſo heißt es — eingefangen, 
Die ihren Führer nannten — doch nicht Euch. 
Seitdem wehrt eine Mauer faſt von Lanzen 
Den Eintritt Jedem in die Königsburg, 
Der nicht vom Erzbiſchof beglaubigt iſt; — 
Der iſt der Einzige, dem Robert traut. 

Graf Matteo. 
Das wußt' ich — als ich aus Palermo ritt, 
Ohne mein Werk auf Einmal zu vollenden. 
Des Andern aber weiß ich nun genug, 
Und will, was euch noch fremd iſt, treu enthüllen. 


(Entſchieden.) 

Der Kanzler Majo fiel durch meine Hand 
Im off'nen Kampf — Mann gegen Mann! — nur Gott 
War Zeuge unſ'res Kampfs; mein ehrlich Schwert 
Befleckt kein Mord, — Gott war in meinem Arm 
Und richtete durch dieſen den Tyrann! — 

Simon (gibt ihm die Hand, feierlich). 
Der ält'ſte Mann der Inſel ſagt Dir Dank 
Im Namen Aller, Sohn, die auf Dich hoffen! 


— 


== Di O9 


Graf Matteo. 

Nun aber gilt's, das Schwerſte noch zu thun. 

In ſich.) 
Das eee für mein Herz — 

(Laut.) 

Den Kampf mit Robert 
Durch Waffen, die mir ſein Gewiſſen leiht, | 
Unblutig und doch ſiegreich auszukämpfen! — 
Ihr, meine Freunde und Siziliens, 
Begebt Euch heute noch auf euren Platz 
Und ſeid gewärtig, ruft Euch unſer König! — 
Vorher begrüßt ihn noch und bittet ihn, 
Er wolle noch, zum Abſchied, mich empfangen! — 
(Er grüßt Alle, zum Abſchied ihnen die Hand reichend; ſie gehen ins Schloß ab.) 


Dritte Scene. 


(Graf Matteo, gleich darauf Dolores). 
(Dieſe Scene muß ſehr bewegt geſpielt werden.) 


Graf Matteo (tief ergriffen). 
Nun — Herz — geh' deinen letzten Gang — zu ihr! 
Der Blitz muß aus der Wolke, die ihn trägt, 
Und wird das Opfer am Altar entzünden. 
Arme Dolores —! Gott! Da kommt ſie ſelbſt! 
Dolores (tritt auf, tiefgebeugt, doch in gehobener Stimmung Matteo zu begrüßen). 
Mein Herz — mein Schickſal führt mich, Freund zu Dir, 
Die Waiſe kommt, der Du ein mild Aſyl — 
Die Seele einer Schweſter aufgethan; — 
(fie ſtreckt ihm die Hand entgegen) 
Ich danke Dir! 
Graf Matteo (ihre Hand faſſend, mit tiefer Wehmuth und trübem Ernſte). 
Da — meine Hand — noch Einmal — 
Und auch zum letzten Mal — 
Dolores (will fie küſſen, die letzten Worte Matteos überhörend), 
Ich küſſe ſie, 
Die mich gehalten, die Sizilien ... 
Graf Matteo (tajch abwehrend und einfallend). 
Thu's nicht — Unglückliche — thu's nicht! 
Dolores (beftürzt aufſchauend). 
Was haft Du? welcher Schmerz in Deinen Augen! 
Matteo weint —! das muß entſetzlich ſein, 
Was Deine ſtarke Seele fo bewegt! 
Graf Matteo (aus tieffter Bruſt). 
Nicht länger kann und darf ich Dir's e 3 
Uns trennt für immer das Geſchick! 


Dolores (erfchroden und leidenſchaftlich). 
Nein! nein! 
Das ſprach Dein Mund — Dein Herz ... 
Graf Matteo ſ(chhmerzlich einfallend). 
Mein Herz begreift, 
(Sich gewaltſam faſſend.) 
Daß unſ're Hände ſich nicht faſſen dürfen — — — 
Weil Deines Vaters Schatten dies verwehrt! 
Dolores (ahnend). 
Mein Vater — — —!? 
Graf Matteo (dumpf und reſignirt). 
Fiel im Kampf — durch meine Hand! 
Dolores (ſinkt in die Knie, ſich das Geſicht verhüllend). 
Oh!! 
Graf Matteo. 
Sizilien athmet auf; wir müſſen opfern! — 
Er forderte das Schickſal ſelbſt heraus, 
Und Gottes Hand hat ihn durch mich gerichtet. 
Dolores (aufftehend und nach Faſſung ringend, mit wehmüthigem Ernſte). 
Es iſt, wie Du geſagt: mir bebt die Seele, 
Daß nichts die Schuld vermindert, nichts ſie ſühnt, 
Die blutigſchwer auf ſeinem Haupt geruht. 
Doch löſcht fein Tod das Bö ſe, was er that, 
In meinem Herzen — und vielleicht vor Gott!! 
Graf Matteo. 
Erhab'nes Herz, — Siziliens edle Tochter, 
Du reine Blüthe eines kranken Stamm's — 
Den Gottes Blitz erſchlug, — ſo frag' ich Dich, 
Kannſt Du — wenn auch die Seelen ſich verſteh'n, 
Wenn auch die Liebe in uns ewig iſt: — 
Kannſt Du die Hand zum Bund in meine legen, 
Die, wenn auch rein von Schuld — Gott ſah den Kampf — 
Doch Deines Vaters Blut vergoß? — Sprich Du!! 
Dolores (beugt ein Knie vor ihm). 
Ich beug' das Knie vor Dir, Du edler Mann, 
Schutzgeiſt Siziliens, Retter Deiner Brüder, 
Der meine Liebe aufnahm in ſein Herz 
Und den ich bis zum Tode lieben werde — 
(Mit tiefſter Erregung.) 
Dein kann ich nicht mehr ſein auf dieſer Welt; 
(Schmerzlich entſchieden.) 
Wir find getrennt — ! — 
(Begeiſtert.) 
Die Seelen — ſind es nicht! 
Graf Matteo (fie erhebend). 
Siziliens Sohn, leb' ich für meine Mutter 


— 1 


Und weil Du ſo denkſt — und erhaben fühlſt, 
Hab' ich der andern Lieb' mich nicht zu ſchämen: — 
Ich werde meine Sendung ganz erfüllen! — 
Du, Reine, bethe — wirke für mein Volk, 
Und dies Aſyl ſoll Dich für immer ſchützen! 

(Er küßt ſie auf die Stirn.) 
Mit dieſem letzten Kuß löſ' ich Dich los — 
Und lege Dich an's Herz nun meiner Mutter! 

(Er will gehen.) 


Vierte Scene. 
(Vorige. Der Caſtel lan tritt auf.) 


Caſtellan (mit einem Schreiben). 
Verzeiht, wenn ich Euch ſtöre, edler Herr! 
Doch hat der Bote dringend mir empfohlen, 
Den Brief ſogleich — 
Graf Matteo (den Brief nehmend). 
Woher —? wer ſchickt ihn mir? 
Caſtel lan. 
Der Mönch — wie Ihr ihn nennt — der in Palermo.... 
Graf Matteo (dem Caſtellan Entfernung zuwinkend und das Schreiben er— 
brechend. Caſtellan ab). 
Was kann ſo plötzlich — — 
(Das Schreiben durchfliegend, auf's tiefſte erſchüttert.) 
Ew'ger Gott!! auch das! 
Dolores bbebend). 
Was iſt geſchehen, das Dich ſo ergreift? 
Graf Matteo (faf). 
Graf von Alife iſt angeklagt des Mord's 
Am Admiral — er ſelbſt bekennt die That, 
Und unter'm Beile ſchwebt ſein ſchuldlos Haupt! 
Dolores (rad). 
Schuldlos?! Du weißt es ja, was er gewollt. 
Graf Matteo. 
Was er geſchworen, hat er nicht vollbracht! 
Dolores (mit tiefem Gefühl für ſich hin). 
Er ſucht den Tod — ein Opfer ſeiner Glut! 
Graf Matt eo (entſchloſſen). 
Das darf nicht ſein —! beim dreimal heil'gen Gott! 
Dolores (in großer Aufregung). 
Was willft Du thun? 
Graf Matteo (entſchieden). 
Das, was ich kann und muß! 
(Mit Begeiſterung.) 
Gerechtigkeit im Himmel und auf Erden! 


ei 


Mich ruft Sizilien in die Königsſtadt! 

Nun brennt der Boden unter mir! Zu Pferd! 
Ich habe keine Friſt mehr, meinen König 

Zum letzten Kampf um ſeinen Thron zu laden. 

So künd' ihm Du, daß ich vorausgeeilt 

Und meinen Schwur in dieſer Stunde löſe! 

Er bau' auf mich — wie ich auf ihn vertraue — 
Du aber lebe wohl —! auf ewig wohl!!! 

(Er geht mit einem ernſten, weihevollen Blick nach ihr, raſch ab.) 
Dolores (ihm in höchſter Aufregung nachſehend, ſinkt auf ein Knie). 
Nun, Himmel, ſende Deine Engel aus; 

Ich bin ein hilflos Weib und kann nur ſterben! 
Wenn dieſes edle Haupt — —!! nein! nein! wer fo 
Für Alle fühlt, der wird nicht untergeh'n! 
(Sie horcht in die Szene und ſteht auf.) 
Wer nacht —? die Edlen — und der Prinz kommt ſelbſt! — 
Nun zeige, Herz, dich ſeiner Liebe werth! 


Fünfte Scene. 


(Dolores, Prinz Roger, Simon, Bo&mond, Richard und 
viele Edle, von den Stufen herabkommend. Roger trägt die Fahne Siziliens). 


Roger (noch auf den Stufen). 
Die Stunde der Entſcheidung naht heran, 
Sie führt mich ſelbſt dem edlen Mann entgegen, 
Der ſeiner Brüder Schutz und Anwalt war. 
Nun gehen wir zuſammen; Schmerz und Hoffnung, 
Der Wille meines Volks ruft mich zur That! 
(Er gewahrt Dolores uud tritt herab.) 
Matteo nicht mehr hier — ? und Ihr, Madonna, 
So tief ergriffen — unſtät — angſtbewegt? 
Was iſt geſcheh'n? 
(Alle nehmen Antheil.) 
Dolores (gepreßt, doch heldenmüthig). 
O, Böſes wird geſcheh'n, 
Wenn Ihr das Schwert nicht in die Wage werft. 
Ihr wißt, was in Palermo vorgefallen; 
Im off'nen Kampf fiel durch Matteo's Hand 
Der Kanzler Majo; doch der Corſe ward 
Gefangen und des Mordes angeklagt, 
Den er — uns unbegreiflich — ſel bſt bekannt. — 
Nun ſchwebt das Richtbeil über ihm; der Graf 
Eilt raſch hinein zur Königsburg und ſucht 
Den Mann zu retten, ſelbſt den Richter auf, 
Der zu Palermo Eu're Krone trägt. 


ee 


Roger (in großer Bewegung.) 
Nicht weiter! was ich hörte, macht das Blut 
In wilden Wellen durch die Adern rollen. — 
Der beſte Mann des Land's iſt in Gefahr, 
Weil er der ehrlichſte, der reinſte iſt. 
Er eilt voran im Hochgefühl des Rechts — 
Aus ſetzend feine unbeſchützte Bruſt 
Und wagt allein das Letzte — Ungeheure! 
Nun, Männer, Freunde, die jüngſt Zeugen waren, 
Wie meine Seele vor dem Blute ſcheute, 
Das meinem Thron geopfert werden ſoll — 
Die Zeit ward reif — und dieſe Stunde drängt 
Den Geiſt des Friedens in den Hintergrund; 
Jetzt gilt's nicht meinen Thron — nicht meine Krone — 
Es gilt den Mann, der ſich dafür geopfert! 
Ihr habt das Wort für Alle, wie ich weiß, 
Die nach Palermo zieh'n auf meinen Ruf; 
Nun ruf' ich fie — ihr König — der fie führt, 
Um Freund und Volk — Sizilien zu befrei'n! 
Alle (die Schwerter ziehend). 
Wir folgen! — — Ja — ! — das war ein Königswort! — 
Roger (zu Simon von Policaſtro.) 
Ihr würd'ger Greis, ſollt Euer Alter ſchonen 
Und bleibt der Donna hier zum Schutz zurück; 
(Da Simon reden will). 
Ich will es ſo. 


Dolores (traf und dringend). 

Ich aber bitt' Euch, Prinz, 
Laßt mich mit Allen nach Palermo zieh'n, 
Ich kann nicht Wunden ſchlagen — doch verbinden, 
Und And'rer Schmerz zu lindern ſei mein Ziel; — 
Im Namen Eures Volkes — nehmt mich mit! 

Roger (ſie wehmüthig betrachtend). 
Du — Tochter Majo's — ich verſtehe Dich. — 
Wohlan — ſo komm'! — Ihr aber, ew'ge Mächte, 
Haltet den Schild mir über jenen Mann, 
Der ohne Krone doch ein König iſt! 
(Er geht, Dolores führend. 
(Alle erheben die Schwerter und folgen in ernſter weihevoller Stimmung.) 


Verwandlung. 


(Prächtiger Saal in der Königsburg zu Palermo. Auf einer Seite auf Stufen ein 

Thronſeſſel. Gothiſche Fenſter. Rückwärts eine große hohe Pforte. Seitenpforten 

Auf der andern ein größerer, reichverzierter Tiſch, mit Schriften und Pergament— 
rollen. — Robert tritt auf, langſam vorfchreitend.) 


u 


Sechſte Scene. 
(Robert allein; gleich darauf Sandoval). 


Robert (vor ſich hin, finfter). 
So war denn jene Warnung von Bedeutung 
Und kam von ſich'rer Hand! Wie iſt's geſcheh'n, 
Daß Majo, der Matteo's Maske kannte 
Und dem der Aufſtand ja verrathen ward, 
Daß Majo ſelbſt das erſte Opfer war? 
Bonello ſtand im Bunde mit Dolores, 
Sie aber iſt ſeit jener Nacht verſchwunden; 
Wohin? mit wem? war das in Majo's Plan? — 
Ließ dieſer ſchlaue Geiſt ſich ſo verwirren, 
Daß er den Kopf ſelbſt in die Schlinge ſteckte, 
Die man zu früh wohl zugezogen hat. — 
Der Aufſtand galt — das iſt nun dargethan — 
So ihm als mir — und hätte nicht der Geiſt 
Dort oben ſichtbar mich beſchützt: das Eiſen 
Das ihn getroffen — ſchliff man auch für mid. 

(Dämoniſch.) 

Nun — der Bandit — der Volkbeglückende 
Bonello, den ſelbſt Majo fürchtete, — 
Sitzt feſt im Thurm und wird bald ewig ſchlafen! — 


Siebente Scene. 


(Robert. Sandoval tritt ein, eine große Schrift in der Hand). 


Robert (ohne ſich nach ihm zu wenden). 
Was bringſt Du? haben ſie's doch kurz gemacht? 
Hat er bekannt —? 
Sandoval (reiht ihm die Schrift). 
Ich bring' das Todesurtheil; — 
Ein Zug von Eurer Hand — es fällt ſein Haupt! 
Robert (die Schrift durchfliegend, zufammenfahrend). 
Ha! was ift das? was für ein Name ſteht 
Hier in dem Urtheil —? 
Sandoval. 
Nun, der Name deſſen, 


Durch den der Admiral gefallen iſt: 
Gaufred, der Grafen Letzter von Alife! 


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Robert (immer mehr von Schauder ergriffen.) 
Das iſt nicht möglich — muß ein Irrthum ſein, 
Ich weiß von Majo, daß der Mann des Volks, 
Der uns gefährlich war, Bonello hieß; 
Und weiß es auch, wer dieſen Namen führte. — 
Bonello hat den Admiral getödtet! 
Sandoval. 
Mag ſein, daß Graf Alife zwei Namen führt; 
Er aber hat die That ganz frei bekannt, 
Und nannte ſo ſich, wie die Schrift beſagt. 
Robert (unſicher und ſcheu). 
Hat das Gericht nicht ausgeforſcht, woher 
Des Land's — von welcher Abkunft —? rede doch! 
Sandoval. 
Der Richter hat die Fragen ihm geſtellt. 
Robert (haſtig doch bebend). 
Und wie denn klang die Antwort —? ſage mir's! 
Sandoval. 
„Fragt nur den Mann,“ ſo warf er trotzig hin, 
Der auf dem Throne ſitzt, um meine Herkunft; 
Er wird ſich meiner Mutter gut erinnern 
Und meinen Vater nicht vergeſſen haben. 
Sagt ihm, ich ſei der letzte Graf Alife, 
Der Rächer ſeiner hingewürgten Eltern, 
Aus deſſen Blut, das man vergießen wird, 
Die Seele in Bonello auferſteht!“ 


Robert (erſchüttert und wirr). 

Da — ſiehſt Du? Er — und Jener — beide Eins! 
Bonello und Alife! (Abwehrend.) Namen — Namen! 
Die tödten nicht — ich treffe beſſer doch! 

(Sich wild aufraffend.) 
Du, Schlange mit zwei Köpfen, züngle nur 
Und bohre deine Augen in die meinen! 
Ich habe, was dich ſtarr macht — ich allein! 

(Er greift raſch nach der Feder, unterzeichnet und ſtarrt dann in die Schrift.) 
Bonello ſtirb —! Alife ſtirbt mit dir! 
(Gibt Sandoval die Schrift.) 

Geh! — eile! und dann melde ſeinen Tod! 

(Sandoval ab.) 

Robert (ſinkt wie gebrochen in den Armſtuhl). 


Daß uns ein Wort — ein Name lähmen kann! 
Pfui über dieſe Schwachheit — tief da drinnen! 
Wir ſind ja ſtark — und alle Macht iſt mein! 


Achte Scene. 


Robert, Graf Matteo (tritt ein, Robert gegenüber, ernſt und langſam, 
feſten Schrittes.) 


Graf Matteo (nicht ganz ihm nahend, feſt, doch ohne Aufregung). 
Graf Robert, der ſich König nennt, wach' auf! — 
Robert (erſchrocken auffahrend). 
Wer iſt? — wer wagt? wer kam durch dieſe Thür? 
Matteo. 
Ich hab' das Wort, das alle Thüren öffnet, 
Von dem, der Deine Sünden Dir vergibt; 
Der Erzbiſchof, dem Du vertrauſt, kennt mich, 
Wie ich ihn kenne — beſſer als Du ſelbſt! 
Robert (ſcharf, finſter und mißtrauiſch). 
Wer biſt Du, der ſo kecke Sprache ſpricht? 
Ich hätte Luſt, die Wachen herzurufen, 
Und erſt zu wiſſen — 
Graf Matteo (einfallend). 
Ob ich waffenlos?! 
Darüber kann Dein Blut in Ruhe ſein. 
Die Wachen haben ihren Dienſt gethan 
Und Schwert und Dolch — Du ſiehſt ja — mir genommen; 
Ich bin ganz wehrlos, wie es Jeder iſt, 
Der ſich Dir naht; — dafür haſt Du geſorgt. 
Robert (die Hand unwillkürlich an feinen Dolch legend). 
Wer aber biſt Du denn? was willſt Du hier? 
Graf Matteo l(ernſt und würdig). 
Ich bin Bonello — 
Robert (aufſpringend). 
Du — Bonello?! — Dul? 
Das lügſt Du! 
Graf Matteo (tſtarh). 
Nein! ich lüge nicht — Bonello, 
Der Deinen Henker Dir erſchlagen hat, 
Und ſich Dir ſtellt, 
(Mit beſonderem Nachdruck.) 
wenn Du ihn richten kannſt! 
Robert. 
Das lügſt Du wieder, rühmſt Du Dich der That; 
Der fie gethan — iſt ſchon ver urtheilt auch. 
(Trommelwirbel von Außen). 
In dieſem Augenblicke ... fällt fein Haupt! 
Graf Matteo (tieferſchüttert). 
Alife!! durch ihn — geopfert dies Geſchlecht - 
Der Grauſamkeit und Wolluſt — und auch er, 


8 


Der Sohn, der Rächer, den der Schmerz zerriß! 

(Zu Robert mit geſteigertem Ernſte). 
Alife iſt ſchuldlos an dem Blute Majo's, 
Du haſt den Sohn der Mutter, die Dir fiel, 
Des Vaters, deſſen Augen Du geblendet, 
Du haſt in Wuth den Rächer auch erſchlagen, — 
Doch — wiſſe, Sünder, ſeine Rache nicht! — 
Ich nahe ſelbſt, Dir meine That zu künden, 
Damit für mich ein ſchuldlos Haupt nicht falle; — 
Kam ich zu ſpät, ſo halte ich Gericht, 
Ich ganz allein — im Namen meines Volks! 

(Mit finſterer Erhabenheit.) 

Deine Verbrechen — fie find meine Macht! 
Robert (nad) einer Pauſe, Matteo feſt anſehend, ſich gewaltſam faffend). 
Du ſollſt nicht ſagen, daß wir muthlos ſind, 
Du ſollſt nicht finden, daß ich ein Tyrann, 
Und vor dem freien, kecken Worte zitt're. 
Sprich für das gute Volk — was Du ſo nennſt — 
Zu dem Du — wie ich weiß, herabgeſtiegen; 
Vielleicht kenn ich es beſſer doch, als Du. 


Graf Matteo. 


Du kennſt das Volk? — Du kennſt die Sklaven nur, 
Die Du bezahlſt, die Du mit Ruthen peitſcheſt, 

Die kriechend Dich umſchmeicheln oder fürchten — 
Den Staub, der nur im Sonnenſtrahle wirbelt, 

Und ohne dieſen nicht erſcheint und iſt. 

Du kennſt nur dieſe, die Dich ſelbſt umkreiſen, 

Die Deine Gunſt zu eklen Affen macht, 

Dein Zorn vielleicht zu ſchleichenden Gewürm. 


Robert (mit Verachtung). 

So ſind ſie Alle, die im Sumpf geboren, 
Im Sumpf ſich nähren und ihn neu bevölkern; 
Nach Speis und Trank nur ſteht der Sinn des Volks 
Und Einer neidet — raubt ſ es auch dem Andern! — 
Was Geiſt iſt, wandelt ſich in Ueber muth, 
Spitzfindigkeit verderblicher Gedanken, 
Und was ihr Herz nennt, iſt die Wallung nur 
Der angebornen, hungergleichen Schwäche. 
So fand ich's allzuoft und überall 
In dieſem Land, wo ich das Scepter führe! 

raf Matteo (in edler Aufwallung). 
Da ſprichſt Du ſelbſt das Urtheil über Dich! 
Wo viel des Auswurfs, ſind die Herrſcher ſchlecht, 
Der höh're Geiſt, den Ihr zu haben glaubt, 


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Soll leiten, helfen — ſoll belehren, ſegnen 
Und nicht im Hochmuth wend' er ſich hinweg! 
Ein gut regiertes Volk iſt reiner Wein, 
Nur Tyrannei erzeugt die faule Hefe! 
Ihr dünkt Euch groß, wenn Ihr das Volk verachtet, 
Und mächtig, weil Ihr feile Söldner zahlt? — 
Gebt acht, daß Euer Geiſt ſich nicht verrechne, 
Siziliens Volk iſt mündiger als Ihr! 
Robert (mit Hohn und Sarkasmus). 
Und was verlangt das münd'ge Volk durch Euch? 
Ihr ſeid des Volkes Zunge, wie ich merke. 
Was will das Thier in dieſer Menſchenart? 
Graf Matteo (mit Emphafe). 
Es fordert, daß Du niederſteigſt vom Throne, 
Der eines Andern, Gottgeſalbten iſt. 
Der Herzog von Apulien lebt; das Gift 
Des Kanzlers Majo goß ich aus — ich ſelbſt — 
(Robert zuckt zuſammen). 
Und hab' den Prinzen ſeinem Land erhalten! — 
Dies Volk, das Du verachteſt und verwirfſt, 
Verlangt Dein Blut nicht, wenn Du ſelbſt den Platz, 
Den Dir ein ſchlauer Schurke eingeräumt, 
In dieſer Stunde noch verlaſſen willſt. 
Das Kloſter Santa Clara nimmt Dich auf, 
Du biſt bekannt — vertraut ja mit den Mönchen. 
(Er öffnet eine Pergamentrolle). 
Du unterzeichneſt die Entſagungsſchrift 
Und ſollſt im Frieden dann von hinnen geh'n! 
Robert. 
Beim ew'gen Gott! Das nenn' ich Raſerei, 
Nur meine Langmuth übertrifft ſie noch! — 
Ich gab Dir den Beweis, daß der Tyrann 
Sich nicht vor Deinem freien Wort entſetzt; 
Nun aber, toller Geiſt, antworte mir, 
Was willſt Du thun, wenn ich ein Zeichen gebe 
Und meine treuen Wachen dich ergreifen . .. 

Graf Matteo (ttolz und feſt, mit eiſerner Ruhe). 
Verſuch's! — Du gibſt es für Dich ſelbſt; ſie kommen, 
Um Dich zu faſſen — Deine Zeit iſt aus! 

Robert (beftürzt zurücktretend). 
Das iſt unmöglich! n 
Graf Matteo (wie oben). 
Rufe, wen Du willſt; 
Sie harren auf die Stunde der Vergeltung, 
Sie Alle, die Du lang mißhandelt haſt. 
Sie haſſen Dich, die Dich umkrochen haben, 


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Die Du getreten, wenn es Dir beliebt. 
Ruf' Deine Schergen — und wir ſind zu Ende, 
Dann aber ſteh' ich für Dein Leben nicht. 

Robert (immer mehr wirr und faſſungslos). 
Sprichſt Du die Wahrheit? 

Graf Matteo (ttarh. 
Frag' nicht mich — Dich ſelbſt! 
Warum denn rufſt Du Deine Schergen nicht! 
Gibt das Gewiſſen Dir die rechte Antwort? 
Entſcheide Dich — eh' es zu ſpät! Verzichte! 
Robert (Hat ſich dem Tiſche genähert und das dort liegende Schwert ergriffen). 

Drohſt Du ſo wild — ich bin nicht waffenlos. 

Matteo (ſarkaſtiſch, mit ſteigender Kraft). 
Nicht waffenlos, wie ich, ſo meinſt Du wohl! 
Ja, du haſt recht, ich habe ja kein Schwert, 
Als das des ew'gen Rechts, das dich verdammt! 
Ich habe keinen Dolch, kein ſcharfes Beil — 
Doch ſchärfer ſchneiden, tiefer noch die Augen 
Die Du zerſtochen, in Dein feiges Herz; 
Der Schatten jenes Weib's, das Du geſchändet, 
Das Kind der Sünde, — das verſchwand, — 

Robert (unwillkürlich zuſammenzuckend, dazwiſchen). 
Dolores! 

Graf Matteo (in Emphaſe fortfahrend). 
Die todten Herzen, die Siziliens Erde 
Nach langen Martern trauernd in ſich barg, 
Der Geiſt des Volks, an den Du nie geglaubt — 
Sie alle ſind erwacht in dieſer Stunde; 
Von unſichtbaren Waffen rauſcht die Luft, 
Der Dämon, dem Du dienteſt, lähmt nun Dich! 

Robert (faft außer ſich, unwillkürlich auf Matteo losſchreitend). 
Doch — treff' ich Dich: . . . fo bin ich wieder Herr, 
Dein Wort verſtummt — Dein drohend Aug' erliſcht. .. 

Graf Matteo (ohne ſich vom Platze zu bewegen, mit geiſtiger Gewalt). 
Wenn Du's erreichſt — und komm ich nicht zurück, 
Die Friſt verrinnt — dann ſtürmen ſie herauf, 
Und ſuchen Dich — und über meiner Leiche 
Hält über Dich Sizilien Gericht! 

Im ſelben Augenblicke ertönen nahe, gewaltige Trompetenſtöße und Jubelgeſchrei 
außerhalb des Palaſtes, die große Glocke der Kathedrale thut einige Schläge). 
Robert lentſetzt zurückſchwankend). 

Es iſt — es iſt! — ich — ſehe — Gottes Hand! 

graf Matteo (faft zugleich mit Robert, für ſich, einen Schritt ans Fenſter tretend). 
Sie ſind mir nah' — ich fühl' es in der Seele! 
Den Prinzen tragen ſie auf einem Schild! 


8 


(Selig ausbrechend.) 
O treue Freunde! braves treues Volkl!! 
(Zu Robert, der zitternd ſich am Tiſche hält.) 
Nun Mann, den Gottes Rächerhand berührt, 
Willſt Du entſagen? — willſt Du leben? — ſprich! 
(Von Außen wird es wieder ſtill.) 
Robert (zitternd nach der Feder greifend und unterſchreibend). 
Ich will im Kloſter mich begraben! — nimm! 
Graf Matteo. 
Und haſt Du ſonſt noch einen Wunſch im Herzen? 
Robert (ihn ſtarr anſchauend, dann bewegt und andern Tones). 
Ich laſſe eine Waiſe Dir zurück — 
Die Majo ſeine Tochter nannte — wiſſ' es 
Nur Du allein — hier liegt das Dokument — 
(Er deutet auf eine kleine Pergamentrolle). 
Die Mutter jenes Grafen von Alife, 
Deß' Haupt . . . erſt fiel .. . iſt ihre Mutter auch, 
Dolores iſt . .. der Sünde reine Frucht — 
Dolores iſt — mein Kind — beſchütz' es Du! — 
(Muſik von Außen.) 
Matteo (die Arme zum Himmel ſtreckend, in höchſter Empfindung der Freude). 
Da ſtirbt das Wort — in Freude ſtirbt der Dank!! 
(Zu Robert, ihn führend.) 
Durch dieſe Pforte kommt Ihr ſicher fort, 
Der Name Eures Kindes iſt die Loſung, 
„Dolores“ iſt das Wort, das Euch beſchützt! 
(Er führt ihn bis zur Thür, Robert verſchwindet.) 
(Aufjubelnd.) 
Nun, Vaterland, dein Jubeltag iſt da! 


Letzte Seene. 


(Graf Matteo. Unter Jubelruf und Muſikklängen treten auf: Roger, Bosmond, 
Richard und viele Edle. Simon, Dolores führend, zuletzt. Volk ſchließt ſich an.) 


Graf Matteo (ein Knie beugend vor Roger). 
Dein Thron iſt frei, herab ſtieg der Tyrann, 
Und ſucht den Frieden in des Kloſters Mauern. 
Nur Eines Schuld'gen Blut hab' ich vergoſſen — 
Und eines Unglückſel'gen Haupt, der maßlos 
In Haß und Liebe vorging, fiel dem Tag, 
Der Deinem Volke die Erlöſung bringt. 

Roger (auf Dolores zeigend, wehmüthig). 

Ein Opfer mehr . .. dies große, edle Herz! 


3 


Graf Matteo (einfallend). 
Nein! milde lehnt der Himmel ſelbſt es ab! 
Dolores — o entlaſte Dein Gemüth 
Von allen bangen Zweifeln und Gefühlen! 
Du galteſt nur als Majo's Kind — Du biſt 
Des Grafen Robert Tochter — biſt die Schweſter 
Des unglückſel'gen Gaufred von Alife. 
(Dolores in freudigſter Bewegung.) 
Getroffen von der Hand des Herrn hat eben 
Dein wahrer Vater ſeine Schuld bekannt. 
Dolores (freudig, doch ſchüchtern, tiefinnig.) 
So darf ich wieder Deine Hand erfaſſen! — 
Der ſchwere Bann der Tochter iſt gelöſt, 
Gelöſt das traur'ge Räthſel der Gefühle, 
Die Gaufred, die mein Bruder in mir weckte! 
Du zürnſt der Thräne nicht, die ihn beweint, 
Und ſiehſt den Finger Gottes, wie ich ſelbſt. 
(Sie wankt zu Matteo, ſeine Hand ergreifend). 
Roger (einfallend). 
So wird denn eure Liebe — nicht die Rache 
Die Schatten all' verſöhnen, die nicht ruh'n. 
(Mit Majeftät.) 
Mit Willen meines Volks beſteig' ich denn 
Den langmißbrauchten, ſegensloſen Thron, 
Und will vergelten, was der Haß verbrach. 
(Zu Matteo.) 
Du aber — den die ganze Inſel ehrt 
Als ihren treuſten Freund — ſei auch der meine, 
Der nächſte meinem Herzen — und dem Thron, 
Auf dem ich ſegnen will ein edles Volk, 
Mit dem ich frei den Ring der Herrſchaft theile. 
(Alle knieen, die Fahnen und Schwerter ſenkend. Gruppe.) 


Der Vorhang fällt. 


Ende. 


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